: Polizei verpasst Neonazi-Busse
Neonazi-Gegner werden auf dem Weg nach und von Dresden an zwei Raststätten Opfer brutaler Attacken. Die Polizei kannte die Reiserouten und war trotzdem erst vor Ort, als es schon zu spät war
VON MICHAEL BARTSCH UND GEORG LÖWISCH
Zwei Neonazi-Überfälle vor und nach den Demonstrationen in Dresden haben Fragen nach der Richtigkeit der Polizeitaktik aufgeworfen. Am Samstagmorgen wurden auf der Autobahnraststätte Rabensteiner Wald bei Chemnitz vier Menschen und am Samstagabend auf der Raststätte Teufelstal in Thüringen fünf Menschen verletzt. Beide Male waren keine Beamten zur Stelle, um die Taten zu verhindern. Ein Organisator des „GehDenkens“ kritisierte, sie hätten die Polizei vorher genau über die Reiserouten unterrichtet.
Am Samstag marschierten in Dresden 6.000 Rechtsextreme. Zugleich kamen 10.000 Menschen zu einer Gegendemonstration namens „GehDenken“ zusammen. Auf der Rückreise am Abend befand sich auch Helge von Horn vom Kasseler Friedensforum. Als auf der Raststätte Teufelstal gegen 20 Uhr ein Nazi-Bus eintraf, rief er sofort den Polizei-Notruf an. Das aggressive Verhalten und Rufe wie „Scheiß-Zecken“ der Neonazis gleich nach Verlassen des Busses hätten die Befürchtung nahegelegt, „dass hier etwas passiert“, sagte Horn am Montag der taz.
Mit dem Ruf „Los jetzt!“ sei ein Teil der Nazis auf etwa 10 bis 15 Menschen losgestürmt, die vor einem der DGB-Busse warteten. Wer sich nicht in den Bus zurückziehen konnte, bekam Tritte und Schläge. Die rechtsextremen Schläger versuchten danach, mit ihrem Bus zu fliehen. Der musste jedoch erneut anhalten, weil noch einige in der Raststätte saßen. Dabei verließen wiederum einige der Schläger den Bus, bewaffneten sich mit Flaschen und Eisklumpen. Jetzt kam es zu den schwersten Misshandlungen, insbesondere der am Boden Liegenden.
Im Moment der Abfahrt des Nazi-Busses traf ein Streifenwagen der Polizei ein, verfolgte den Bus und stellte ihn. Dabei wurden nur die Personalien der 41 Insassen festgestellt. „Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht klar, dass es sich um schweren Landfriedensbruch in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung handelte“, begründete Sprecher Sven Opitz von der Polizeidirektion Jena das lasche Verhalten. Erst später wurden drei schwedische Rechte, die in dem Bus saßen, zur Fahndung ausgeschrieben.
Ein 40-jähriger Gewerkschafter aus Hessen, der besonders schwer am Kopf verletzt wurde, war am Sonntag zwar ansprechbar, musste aber am Montag in der Uniklinik Jena erneut operiert werden. Ein weiteres Opfer sitzt nach Behandlung seiner Knieverletzungen in einer Klinik im Rollstuhl.
Bereits am Sonnabendvormittag waren vier Nazi-Gegner aus Weimar an der Raststätte Rabensteiner Wald attackiert worden. Einer der Betroffenen berichtete der taz, die Raststätte sei voller Leute in für Rechtsextreme typischer Kleidung gewesen. Sie hätten die vier in die Raststätte gedrängt, geprügelt und beworfen. „An meinem Kopf ist eine Flasche vorbeigeflogen.“ Erst als ein Mann im Jackett – offenkundig eine Führungsfigur – sie ermahnt habe, hätten sie abgelassen. Danach sei die Weimarer Gruppe mit Platzwunden und Schrammen im Auto entkommen und habe 110 gerufen. Eine Polizeisprecherin sagte, 12 Verdächtige seien gestellt worden. Die Polizisten hätten sie in Gewahrsam genommen. Gegen sie werde wegen Sachbeschädigung, Körperverletzung und Landfriedensbruchs ermittelt.
Ralf Hron vom DGB in Dresden, einer der Cheforganisatoren des „GehDenkens“ gegen die Nazis, zeigte sich befremdet. Die sichere An- und Abreise der Demonstranten sei ein wesentliches Thema bei den Vorgesprächen mit den Behörden gewesen, so wie man selbst die Sicherheit prominenter Bundespolitiker habe garantieren müssen. Am Freitag sei eine Liste aller Busse mit ihren Routen und Telefonnummern übergeben worden. „Ich bin davon ausgegangen, dass diese Informationen an alle betroffenen Polizeidirektionen weitergegeben wurden“, sagte Hron der taz. In Jena räumte Polizeisprecher Opitz ein, dass Raststätten zwar mobil kontrolliert, aber am Sonnabend nicht präventiv ständig besetzt wurden.