Illegaler Million-Coup

Gericht stellt aktienrechtliche Verstöße fest, diese bleiben allerdings ohne Folgen. Klaus Esser kann das Geld behalten und Josef Ackermann muss keinen Schadenersatz zahlen

FREIBURG taz ■ Klaus Esser hat wirklich Chuzpe. Auch nach dem gestrigen Urteil erklärt er immer noch, er habe sich „völlig korrekt verhalten“ und das Gericht habe dies bestätigt. Das Gegenteil ist richtig. Das Landgericht hat festgestellt, dass die von Esser vorbereiteten Zahlungen an die Mannesmann-Manager rechtswidrig waren, weil sie gegen das Aktiengesetz verstießen. Der Freispruch erfolgte nur, weil der Verstoß angeblich nicht gravierend genug war. Damit haben sich die Hoffnungen von Ackermann und Esser nach völliger Rehabilitierung nicht erfüllt

Nach dem Aktiengesetz muss der Aufsichtsrat dafür sorgen, dass die Gesamtbezüge eines Vorstandsmitglieds in einem „angemessenem Verhältnis“ zu dessen Leistungen und zur Lage der Gesellschaft stehen. Richterin Koppenhöfer stellte fest, dass dies bei den Zahlungen an Esser und Co. nicht der Fall war. Sie bemängelte nicht die Höhe der Bonusse, sondern stellte fest, dass es schon keinen „sachlichen Grund“ für die Zahlungen gab. Die Manager hätten nur ihre Pflicht erfüllt und daher keinen Anspruch auf Extravergütung.

Eigentlich könnte Mannesmann das Geld zurückfordern, doch das Unternehmen existiert nicht mehr. Und Vodafone hat schon erklärt, dass sie das irregulär gezahlte Geld von Esser und den anderen Managern nicht zurückverlangen wird. Ebenso müssen Ackermann, Funk und Zwickel nicht mit Schadenersatzklagen von Vodafone rechnen, obwohl sie als Aufsichtsratsmitglieder die Zahlung genehmigt hatten.

Die Logik dahinter ist klar. Aus der Sicht eines Unternehmens wie Vodafone geht es um relativ kleine Beträge, während ein Zivilprozess zu weiteren Schäden am Image führen könnte. Wenn Ackermann und Esser sich bockig stellen, dann könnten sie Interna ausplaudern, die für Vodafone entweder nur peinlich sein oder sogar rechtliche Folgen haben könnten. Nach dem Squeeze-out gibt es bei der deutschen Vodafone-Tochter nicht einmal mehr private Aktionäre, die einen solchen Prozess stellvertretend führen könnten.

Ob das gestrige Urteil die Debatte um eine gesetzliche Regelung von Vorstandsgehältern anheizt, bleibt abzuwarten. Auf den ersten Blick ist es unbefriedigend, dass der illegale Millionen-Coup für die Angeklagten weder strafrechtliche noch zivilrechtliche Folgen hat. Immerhin ist nun klargestellt, dass solche Extra-Bonusse unzulässig sind. Außerdem wurde auch der Verweis auf höhere Managergehälter im Ausland zurückgewiesen. Entscheidend für die Bewertung seien die Maßstäbe hier, sagte Richterin Koppenhöfer. Ein Argument, das auch bei der Diskussion um die „normale“ Vergütung der Manager eine Rolle spielen dürfte.

Allerdings ist der Richterspruch nur vorläufig. Da alle mit einer Revision rechnen, wird der Bundesgerichtshof das letzte Wort sprechen. Dann könnten auch die Anwälte der Angeklagten noch einmal versuchen, ihre Sicht durchzusetzen. Sie wollen, dass außervertragliche Bonusse prinzipiell für zulässig erklärt werden. Und die Staatsanwaltschaft wird wohl argumentieren, dass unzulässige Zahlungen stets eine „gravierende Pflichtverletzung“ darstellen. Die Begründung von Richterin Koppenhöfer konnte nicht überzeugen. Es kann nicht sein, dass ein Millionenschaden nur deshalb nicht gravierend ist, weil er das Unternehmen nicht ruiniert hat. Auch das Argument, Ackermann und Zwickel hätten von den Zahlungen, die sie beschlossen, gar nicht profitiert, ist nach Ansicht vieler Experten fehl am Platz. Interessant sei dies allenfalls für die Höhe der Strafe, aber nicht für die Strafbarkeit. CHRISTIAN RATH