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Archiv-Artikel

Sei deine eigene Revolution

Musik und Literatur, Kunst, Kino und Workshops: Am Donnerstag beginnt in Hamburg das erste Ladyfest im deutschsprachigen Raum. Vier Tage lang werden die männliche Dominanz im Kulturbetrieb und das Elend der gängigen Geschlechterkonstruktionen thematisiert – und untergraben

aus Hamburg KATJA STRUBE

„Don‘t be in love with the guitarist; be the guitarist!“ – mit dieser Aufforderung machen die Organisatorinnen des Ladyfestes klar, wo der Platz für selbstbewusste Ladies ist: auf der Bühne, nicht backstage und nicht im Publikum. Über 100 Musikerinnen, DJs, Künstlerinnen, Filmemacherinnen und Autorinnen nehmen von Donnerstag bis Sonntag Hamburger Clubbühnen, Leinwände und Ateliers in Beschlag. Das feministische Festival richtet sich gegen die männliche Dominanz in der Musikszene wie auch beim Zeichnen, Schreiben und Filmedrehen.

Dass Frauen aktiv im Mittelpunkt stehen anstatt schmückendes Beiwerk zum männlichen Star zu sein, bedeutet immer noch einen gewaltigen Bruch mit der Norm: „Ich mache beim Ladyfest mit, weil ich unter anderem die Schnauze voll davon hab’, dass ich auf Festivals mit sechs anderen Bands spiele und immer noch die einzige weibliche Musikerin bin“, sagt Festival-Bookerin Bernadette Hengst. Dieses herrschende Rollenverständnis anzugreifen, ist ein mühsamer Prozess, der sich ständig rückkoppelt. So kämpfen die Ladyfest-Macherinnen nicht nur gegen allgegenwärtige sexistische Strukturen, sondern zugleich gegen ihre eigenen Voraussetzungen: Sie wollen Frauen gegen die Männerwelt stärken – doch bei der Frage, was eine Frau ist, drohen biologistische Zuschreibungen.

An die Leerstelle dessen, was das Gemeinsame von heterosexuellen und lesbischen Frauen, queer Sexuellen, transgender people und anderen Nicht-Männern ist, stellen sie den Begriff „Lady“: Mit ihm reagierte die amerikanische Riot-Grrrl-Bewegung auf das Konzept des „Girlism“, das zunächst offensiv feministische Standpunkte absteckte, aber wenig später vom „Girlie“-Hype der Mainstream-Medien platt gebügelt wurde. „Lady“ steht nicht für niedliche, sondern für Respekt erwartende Personen, die umso gefährlicher sein können.

Der Ansatz von Ladyfesten, weltweit über 50 seit dem ersten im Jahr 2000 in Olympia, Washington, war immer auf gesellschaftliche Veränderung angelegt. Ausgehend vom Do-it-Yourself-Gedanken und der damit verbundenen Selbstermächtigung als Strategie, berücksichtigen die Festivals unbekannte Künstlerinnen und sind konsequent nichtkommerziell ausgerichtet. Das Hamburger Ladyfest, das erste im deutschsprachigen Raum, versteht sich nicht zuletzt auch als „Einspruch gegen den konzeptlosen stadtkulturpolitischen Kahlschlag à la Schwarz-Schill und Horáková“, so Sprecherin Steph Klinkenborg.

Das Ziel ist hoch: „Hier schaffen wir Räume, die frei sind von Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, frei von kapitalistischen Verwertungsstrategien, frei von Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, der Klasse, des Gewichts, der Sexualität“, heißt es seitens der Veranstalterinnen – die damit einen erst zu erreichenden Zustand bereits behaupten. Unterschiedliche feministische Ansätze – von Separatismus und strategischem Essentialismus bis zu queeren und dekonstruktiven Praxen –, die sich teilweise widersprechen, prallten in der Planung aufeinander – und wurden produktiv.

Entsprechend mehrgleisig ist das Programm: So sind etwa am Freitag in der Roten Flora sowohl die Hamburger Pop-Pianistin Katriana als auch das britische Punk-Quartett Gertrude zu hören, tags darauf gibt es im Phonodrome eine DJ-Nacht mit den Propellas aus Leipzig, den Femmes with fatal Breaks aus Berlin und anderen, während wenige hundert Meter entfernt Rhythm King and her friends, Parole Trixi, Bremens SOL und die Deptford Beachbabes durch den Hafen brettern. Denn die Booking-Ladies haben Großartiges möglich gemacht: Die MS Stubnitz aus Rostock, nicht nur bei Hamburgs Ausgehvolk beliebte schwimmende Location, macht wieder an der Überseebrücke fest. An Bord findet am Donnerstag das Eröffnungskonzert statt, bei dem die Soul-Reggae-HipHop-Sängerin Onejiru, die Elektro-Chanson-Königin Bernadette La Hengst und die Schweizer Rapperinnen Big Zis & DJ Mad Madam spielen. Übrigens: Fast alle Veranstaltungen beim Ladyfest sind auch für Gentlemen geöffnet.

Neben den vielen Musik-Events gibt es Ausstellungen wie DAS TAT lesbian art – Ellen Dieterich, Franziska Ullbricht und andere im Vorwerkstift; Lesungen wie den „Salon der Mythen und Ikonen“ mit Kerstin Grether, Sonja Eismann und Manja Präkels, Filme und viele Workshops: Da werden etwa „Frauenbilder in den Medien“ kritisiert, und neue Ladies können in einem Performance-Workshop die eigene Bühnentauglichkeit ausprobieren. Wem das noch nicht genug eigenes Tun ist: Es werden noch Helferinnen sowie Künstlerinnen-Schlafplätze gesucht – sei dein eigenes Hotel.

von Donnerstag, 21.8. bis Sonntag, 24.8.; das gesamte Programm: www.ladyfesthamburg.org