: Herford wäre gerne Singapur
Herford will die sauberste Stadt Deutschlands werden – mit Hilfe von Sozialhilfe-Empfängern und Müll-Rikschas aus Singapur. Seit zwei Monaten läuft das Projekt. Schmutzig ist es trotzdem noch
VON BORIS R. ROSENKRANZ
Kaugummis ausspucken? Müll oder Zigaretten auf die Straße schnipsen? In Singapur, der angeblich saubersten Stadt der Welt, werden Umweltsünder mit drastischen Strafen gegängelt. Und ausgerechnet diese Metropole hat sich nun das ostwestfälische Herford zum Vorbild genommen. Herford wäre nämlich gerne das Singapur Deutschlands, zumindest solange es nach dem christdemokratischen Bürgermeister Thomas Gabriel geht. Doch bis dieser Titel die Ortsschilder ziert, muss noch einiges getan werden.
Bisher zeugen nur fünf knallrote Müll-Rikschas vom pedantischen Sauberkeitsfimmel Singapurs. Gespendet wurden die motorisierten Dreiräder von der Herforder Umwelt-Firma Sulo, die mit den Müll-Autos auch die asiatische Insel vom Unrat befreit. In Herford tuckern seit zwei Monaten Sozialhilfe-Empfänger auf den mit einem 120-Liter-Mülltank ausgestatteten Rikschas durch die Innenstadt und sammeln, was die Bürger zuvor per „Müll-Hotline“ zur Anzeige gebracht haben. Rikscha fahren will natürlich gelernt sein: Deshalb wurden die Sozialhilfe-Empfänger im Umgang mit den Fahrzeugen geschult. Beschäftigt werden die Mini-Müllmänner von „Pro Aktiv“, einem Projekt, das seit einem knappen Jahr versucht, Arbeitslose in Lohn und Brot zu bringen. So werden die Sozialhilfe-Empfänger zunächst verpflichtet, gemeinnützige Arbeit zu leisten – für 1,02 Euro die Stunde. Und wer nicht malochen will, bekommt 25 Prozent weniger Sozialhilfe.
Oberstes Ziel der Aktion sei die Integration der Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt, sagt Jörg Schepelmann, Projektleiter bei „Pro Aktiv“. Der Beamte findet es in Ordnung, die Menschen für etwas mehr als einen Euro Müll sammeln, Toiletten bewachen oder Wände streichen zu lassen. „Es kommt darauf an“, sagt Schepelmann, „dass man überhaupt versucht, die Leute zu integrieren.“ Und der Lohn werde schließlich zusätzlich zur Sozialhilfe gezahlt. Was aber natürlich nur funktioniere, wenn die Unbeschäftigten überhaupt arbeitsfähig seien: „Drogenabhängige zum Beispiel“, weiß Schepelmann, „lassen sich über Arbeit nicht sozialisieren.“ Die anderen dagegen sehr wohl: Sechs Monate müssen sie arbeiten. Danach könne man sie nicht mehr dazu zwingen, sagt Schepelmann und klingt plötzlich wie ein Schutzpolizist aus Singapur.
Die Sammel-Aktion ist natürlich nicht der einzige Schlag gegen die zunehmende Vermüllung. Wie in anderen Städten Nordrhein-Westfalens existiert in Herford eine so genannte Ordnungspartnerschaft zwischen dem Ordnungsamt und der Polizei. Zwar muss hier für weggeworfenen Unrat nicht gleich ein halbes Monatsgehalt berappt werden wie in Singapur – Strafen gibt es aber dennoch. Erst muss der Umweltsünder blechen, dann rückt die Rikscha an und hebt das Corpus delicti wieder auf – Herford, das künftige Singapur Deutschlands.