Schill weg, alles wie bisher

Koalition will nach dem Paukenschlag der Entlassung von Ronald Schill weitermachen. Rechtsparteien fühlen sich „an Wählerauftrag für vier Jahre“ gebunden. Spontane Feiern und Jubel in der Stadt als Reaktion auf das Schill-Out

„Wir wollen die erfolgreiche Arbeit des Senats in jedem Fall fortsetzen“Selbst die Bild-Zeitung hatte Schill und Wellinghausen den Dienst versagt

von PETER AHRENS

Fast genau auf den Tag vor drei Jahren hatte Ronald Schill seine neu gegründete Partei erstmals im Elysee-Hotel der Öffentlichkeit präsentiert. Gestern saßen sie wieder alle im Elysee, die Mettbachs und Nockemanns. Nur einer fehlte: Ronald Schill ging gestern der Partei verlustig.

Die Entlassung durch Bürgermeister Ole von Beust nach Schills Drohung, ansonsten die schwule Beziehung zwischen dem Bürgermeister und seinem Justizsenator Roger Kusch öffentlich zu machen, hat die Hamburger Rathausszene zwar gestern völlig kalt erwischt. Die Ausgangssituation für die politischen Parteien in der Hansestadt hat sich allerdings weit weniger verändert, als dies noch am Vormittag schien. Die Entscheidung der Schill-Fraktion, die Koalition auch ohne ihren Gründer fortzusetzen, könnte dafür sorgen, dass erst einmal alles fast so weitergeht wie bisher. Eigentlich unvorstellbar.

„Wir sind fest entschlossen, den Wahlauftrag für vier Jahre zu erfüllen“, gab Schill-Bundesvorsitzender und Bausenator Mario Mettbach am Nachmittag die Devise aus. Und in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Parteichefs Dirk Fischer (CDU) und Reinhard Soltau (FDP) machten die Koalitionsparteien schon beinahe in business as usual. Man wolle die „erfolgreiche Arbeit“ des Rechts-Senats fortsetzen, so Fischer und intern beraten, „mit welchem Personal in welcher Funktion“ weitergemacht werden soll. Dann entschwanden alle in die abendlichen Sitzungen ihrer Fraktionen.

Wenn man sich vorstellt, welches Erdbeben noch am Vormittag vom Rathaus ausgegangen war, ist diese Ruhe geradezu unheimlich – und zeigt, wie isoliert Schill in seiner Partei mittlerweile war. Und nicht nur in der Partei, sondern auch in der Stadt: In den Redaktionen der Hamburger Zeitungen gingen Glückwunsch- und Jubel-Mails über Schills Abgang ein, vor der Roten Flora wurde für gestern Abend zu einer spontanen Fete eingeladen, und die meisten Rathaus-JournalistInnen hatten gestern auch ein kleines Glänzen im Auge. Als alle ReporterInnen nach dem Trubel zuvor am Nachmittag ein bisschen durchatmen konnten, sagte einer nur: „Ach, was für ein toller Tag.“

Selbst die getreue Bild-Zeitung hatte Schill und Wellinghausen zuletzt den Dienst versagt. Was Schill offenbar besonders wütend machte: Auf der Pressekonferenz warf er Bild-Journalist Christian Kersting persönlich vor, „unmoralisch“ gehandelt zu haben, indem er im Vorjahr ausführlich darüber berichtet hatte, dass Schill-Senator Mario Mettbach seine Lebensgefährtin zur persönlichen Referentin ernannt hatte.

Dass Schill ausgerechnet wegen des Themas Homosexualität des Bürgermeisters über die Klinge springt, gibt der ganzen Sache noch eine besondere Pikanterie. Der jetzt ehemalige Innensenator machte damit, dass er vermeintliche Details aus dem Sexualleben des Bürgermeisters auf einer Landespressekonferenz ausbreitete, den Fall tatsächlich zu einer Ungeheuerlichkeit. Trotzdem: Die Geschichte ist jetzt in der Welt. Von Beust wird sich dem Vorwurf, Roger Kusch zum Justizsenator gemacht zu haben, weil er mit ihm, so Schill, mal eine homosexuelle Beziehung geführt habe oder noch führe, nicht entziehen können. Der grüne Schwulenpolitiker Farid Müller hat gestern gleich die Gelegenheit genutzt, genaue Aufklärung darüber einzufordern, was an diesem Vorwurf der Günstlingswirtschaft dran sei. Von Beust wird das aufklären müssen, sonst stolpert er über dieselben Maßstäbe, die er jetzt beim Fall des geschassten Walter Wellinghausen – über den gestern kaum noch jemand sprach – angelegt hat.