: FDP hat Angst vor Teufel
Nach dem Rücktritt ihrer Justizministerin in Baden-Württemberg schwächeln die Liberalen. Und der Ministerpräsident vom Partner CDU liebäugelt mit Neuwahlen
STUTTGART taz ■ Nach dem Rücktritt der Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck am Donnerstag blieb nur Galgenhumor. Man solle sich, schrieb einer im Internet-Forum der Partei, für deren Nachfolge doch einmal bei den Jungliberalen (JuLis) umsehen. Da seien möglicherweise geeignete Jurastudenten dabei.
Die Personaldecke der Freien Demokraten im Südwesten ist dünn geworden, die zweite Reihe mit der Nachfolge in die Ämter des zurückgetretenen Wirtschaftsministers und Parteichefs Walter Döring ausgedünnt. Der umtriebige, schillernde Döring hatte es als einziger FDP-Politiker aus dem Südwesten geschafft, sich auch bundesweit bemerkbar zu machen. Immer wieder profilierte er sich als Vize durch eigene Positionen gegen den Bundesvorstand, griff Guido Westerwelle und zu dessen Lebzeiten auch Jürgen Möllemann gern heftig und deftig an. Immer war er als potenzieller Königsmörder verdächtig. Döring ist ein Populist, liebt Feste und Feiern. Er einte die Freidemokraten und sorgte intern dafür, das altgediente und jungliberale Rechtsausleger wieder auf Kurs gebracht wurden, indem er sie publikumswirksam übertönte.
Im Gegensatz dazu blieb seine Amtskollegin Werwigk-Hertneck nahezu unbekannt. Die großen Namen fehlen, die Tradition des deutschen Liberalismus trägt auch im „Stammländle“ des Gründervaters Theodor Heuss nicht mehr. Die gebeutelte Partei kann auf Dauer nicht von der Erinnerung leben an die einstigen Verfechter von Bürgersinn, Freiheit und Toleranz: Heuss Geschichte, Hamm-Brücher ausgetreten, Bubis tot, Scheel, Genscher, Kinkel fast vergessen. 1995 hatte der damalige Bundesaußenminister Klaus Kinkel beim traditionellen Dreikönigstreffen die kämpferische Mentalität der Liberalen im Südwesten beschworen: „Hier kriecht man nicht jammernd in die Ecke, hier steht man auf, hier packt man an, und hier reißt man sich am Riemen.“
Der neue Hoffnungsträger Guido Westerwelle trat damals noch als Jungdynamiker auf und machte sich Gedanken über die Sektsteuer. Was der Südwest-FDP bleibt, sind Namen, die bisher über die Regionalgrenzen kaum jemand kennt. Die neue Parteivorsitzende Birgit Homburger kämpft noch um Popularität. Als Werwigk-Hertneck-Nachfolger werden Kandidaten wie Michael Theurer aus dem Nordschwarzwald gehandelt. Der 37-jährige Landtagsabgeordnete hatte seine Karriere als Oberbürgermeister der Stadt Horb begonnen, deren Regierung er 1994 als Student und jüngster Stadtvater der Bundesrepublik übernahm. Auch der wirtschaftspolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Jürgen Hofer, ist ambitioniert. Der 63-Jährige war schon als Wirtschaftsminister im Gespräch, gab sich aber bescheiden und plädierte für junge Kandidaten. Er könne persönliche Interessen zum Wohl der Partei hintan stellen. Neuwahlen, so Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) gestern überraschend, seien mit ihm „jederzeit zu machen“. Den Antrag auf Auflösung des Parlaments will Teufel selbst nicht stellen. Neuwahlen kämen ihm aber nicht ungelegen. Sie könnten einerseits die leidige parteiinterne Diskussion über seine Nachfolge vorerst beenden. Zum anderen müsste die mehr als blasse FDP an seiner Seite in den Wahlkampf ziehen. Bei den letzten Wahl hatte Teufel qua seiner kantigen Person vergeblich auf die absolute Mehrheit gesetzt. Der Zeitpunkt ist günstig, es noch mal zu versuchen.
Das Umfragetief der Bundes-SPD würde Teufel ebenfalls nützen. Er betonte gestern mehrmals, dass er auf der Beliebtheitsskala bei über 50 Prozent liege. SPD-Landeschefin Ute Vogt reagierte tapfer: „Wir sind bereit.“ Grüne und FDP lehnten Neuwahlen gestern unisono ab.
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