schwabinger krawall: warm, irgendwie von MICHAEL SAILER
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Der Sommer ist Frau Hammler schon lieb, lieber als der Winter, wo sie über mordsgefährliche Schlitterwege zum Einkaufen tippeln muss. Aber es hat alles seine Grenzen, und ihre liegt knapp über 35 Grad.

Ob er schon einmal erlebt habe, dass die Milch durch Tasche und Flasche hindurch sauer wird, fragt sie ihren Mann, der vor dem Fernseher sitzt. Ob die denn in dem Geschäft keine Kühlung haben, fragt er zurück. Das Kühlregal könne sie ja nicht gut mit nach Hause schleppen, und das sei immerhin ein ganz schöner Weg, und jetzt gehe sie aber nicht noch einmal los, um eine neue Milch zu holen, die dann gleich wieder sauer werde. Sie solle ruhig sein, sagt ihr Mann, und Frau Hammler begibt sich in die Küche, um die Milch mit Natron aufzurühren, und schimpft derweil weiter, sie halte das Geschrei der Kinder bald nicht mehr aus. Die hätten eben Hitzefrei, grummelt ihr Mann von drüben, da habe sie als Kind sich doch auch gefreut wie ein Schneekönig.

Heutigentags, schreit Frau Hammler, gebe es wohl Ventilatoren, und man hätte ordentliche Schulen bauen können, anstatt die zügellose Brut nackig auf der Straße herumrandalieren zu lassen, und wenn das so weitergehe, mache sie eine Angabe beim Ministerium. Ihr Mann sagt, Hitzefrei sei Tradition, außerdem heiße das Eingabe, und er sei ja gespannt, bei welchem Ministerium sie eine solche machen wolle. Frau Hammler schreit, die Ministerin kenne sie sehr wohl, das sei die vom Strauß, er solle endlich eine Ruhe geben, und jetzt sei ihr sowieso die Milch zu weit aufgebraust und die könne sie wegschütten und er solle selber sehen, wie er morgen seinen Kaffee trinke und sich einen Romadur hineinrühren ihretwegen und ihr sei jetzt aber schon alles egal und sie ziehe sich jetzt auch nackig aus und renne auf die Straße, und er schreit, das solle sie nur tun, dann sei endlich Ruhe, und er trinke jetzt ein Bier. So weit komme es noch, brüllt sie, und er brüllt zurück, genau, so weit sei es schon und jetzt sei überhaupt alles zu spät und der FC Bayern dreieins hinten, und sie schreit, das wisse sie bereits, weil gerade der hannoveranische Herr Brokensiep aus dem dritten Stock auf die Straße gerannt sei und dort einen Veitstanz aufgeführt und sich jetzt aber zum Glück in seiner Fahne verwickelt habe und in den Rinnstein geflogen sei und da könne der Sanker die Frau Reibeis auch gleich mitnehmen, die seit vorgestern einen Hitzschlag habe und die ganze Nacht in die Klolüftung hineinstöhne.

Da, endlich, tut es in der Ferne, bei Feldmoching, einen dumpfen Knall und dann noch einen bei Milbertshofen und einen dritten ungefähr in der Schleißheimer Straße, und dann öffnen sich die Schleusen des Himmels, und es klatschen die Wassermassen herunter, und Frau Hammler sitzt am Küchentisch und weint, aber man weiß nicht, ob es wegen ihrer Wäsche ist, die im Hof hängt, oder einfach so, und in das Rauschen und Wehen hinein sagt ihr Mann ein lautes „Ja!“, und dann steht er in der Küche und fragt, ob sie schon beim Einkaufen gewesen sei. Und sie sagt, ach, sie sei ja so froh, wenn das alles vorbei sei, und er fragt nicht nach, was sie meint.