: Der gebräunte Doppelgänger
Der Hamburger Justizsenator Roger Kusch gilt als Schills CDU-Double. Der Scharfmacher sollte Rechte an die Union binden. Affären hatte er schon vor Schills Anwürfen – allerdings politische
HAMBURG taz ■ Zwei Outings auf einen Schlag: Mit seiner Behauptung, der Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU) habe ein Verhältnis mit seinem Justizsenator Roger Kusch (CDU), hat Ronald Schill auch die Homosexualität des Letzteren öffentlich gemacht. Auch damit aber hat Schill nicht mehr als ein offenes Geheimnis verraten. Selbst darüber, dass die beiden früheren Studienkollegen Kusch und von Beust sich in den 70er-Jahren nicht nur zum gemeinsamen Jura-Lernen getroffen hatten, war in der Hansestadt bereits gemunkelt worden. Das Gerücht aber diente allein der Belustigung und nicht dem politischen Geschäft.
Kuschs Privatleben wurde selbst in den vergangenen Monaten aus der Diskussion herausgehalten, als der Senator tatsächlich durch die Verquickung seines Amtes mit persönlichen Interessen von sich Reden machte. Der jugendlich wirkende 49-Jährige ist nicht nur als Freund harter Strafen aufgefallen, sondern auch durch zahlreiche Affären – politischer Natur. Seit diesem Sommer tagt seinetwegen ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, der die recht eigenwillige Personalpolitik des Justizsenators unter die Lupe nimmt. Zentraler Punkt: Kusch hatte in seiner Behörde die Gattin eines Rathausredakteurs der Bild-Zeitung auf einen Leitungsposten gehievt, obwohl sie als nicht qualifiziert gilt. Dadurch soll er sich einer wohlwollenden Berichterstattung versichert haben. Außerdem hat er seinem Pressesprecher ein Richteramt verschafft und auf eine Kontrahentin, die Generalstaatsanwältin Angela Uhlig-van Buren, eingewirkt, sich von ihrem Posten weg auf eine andere Stelle zu bewerben.
Ehe Kusch im Herbst 2000 nach Hamburg kam, hatte der gebürtige Stuttgarter in der Gefängnisverwaltung, als Amtsrichter, Referent im Bundesjustizministerium, Staatsanwalt, Mitarbeiter der CDU-Bundestagsfraktion und Leiter des Referats „Innere Sicherheit“ im Bundeskanzleramt gearbeitet. In seiner Zeit als Hamburger Justizsenator hat er vor allem seine Treue zur eigenen Ideologie bewiesen, von der er sich auch durch Sachargumente nicht abbringen ließ. So hat er als erste Amtshandlung die Spritzentauschautomaten in den Gefängnissen abgebaut – trotz der eindringlichen Warnung von GesundheitsexpertInnen. Anschließend holte er sich in Arizona im berüchtigten Wüstenknast von Sheriff Joe Apaio und in St. Petersburg im Untersuchungsgefängnis „Kresty“ Anregungen zur Knastverwaltung. Sodann verfügte er, dass das Antiaggressionstraining im Jugendgefängnis eingestellt und der unter Rot-Grün als offene Anstalt geplante Knastneubau in Hamburg-Billwerder zum Hochsicherheitsgefängnis ausgebaut wurde.
Dass Kusch nun ausgerechnet von Ronald Schill vorgeführt wurde, ist pikant. Nicht nur, weil der wiederum auf die Zustimmung des Justizsenators angewiesen sein wird, falls er in sein Richteramt am Hamburger Amtsgericht zurückkehren will. Auch, weil die beiden sich vom Typ her so ähnlich sind, dass sie das Zeug für eine Männerfreundschaft hätten. Als Kusch im Oktober 2000 zunächst als „Sicherheitsberater“ vom damaligen CDU-Spitzenkandidaten von Beust an die Elbe geholt wurde, musste dieser sich den Spott gefallen lassen, aus Angst vor dem gerade erstarkenden Ronald Schill dessen Double engagiert zu haben. Beide sind hoch gewachsen und schlank, solariumsgebräunt, stets in Maßanzüge gekleidet und auf den ersten Blick äußerst galant. Auch was ihre Positionen zur inneren Sicherheit und Justizpolitik anbelangt, war offensichtlich, dass Kusch mit den gleichen harten Parolen die WählerInnen, die zur Schill-Partei abzuwandern drohten, an die CDU binden sollte. Ehe sie Senatskollegen wurden, bezeichnete Kusch Schill als „unseriös“. Eine Einschätzung, in der der Justizsenator nun bestätigt wurde. ELKE SPANNER