: Volksentscheid in schlechter Verfassung
Bayerns Ministerpräsident Stoiber beharrt auf Volksabstimmung über die EU-Verfassung und stellt sich damit gegen CDU-Chefin Merkel. Rot-Grün ist prinzipiell für Volksbegehren, will aber kein Referendum zu Verfassung der Europäischen Union
MÜNCHEN/BERLIN dpa/ap ■ Gegen den Kurs von CDU-Chefin Angela Merkel beharrt der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber auf einer Volksabstimmung über die künftige EU-Verfassung. „Ich bin mir mit Altbundespräsident Roman Herzog völlig einig, dass wir die Menschen bei einer so grundlegenden Entscheidung auch einbeziehen müssen, wenn wir Europa zu einem Europa der Bürger machen wollen“, sagte der CSU-Vorsitzende. Er appellierte an die Staats- und Regierungschefs der EU, bei der Vertragsunterzeichnung ein europaweites Referendum zu vereinbaren
Bundesaußenminister Joschka Fischer hat sich dagegen erneut gegen einen Volksentscheid über die EU-Verfassung in Deutschland ausgesprochen. Er sei sich darin mit Bundeskanzler Gerhard Schröder einig, sagte Fischer im „ZDF-Sommerinterview“ am Wochenende. „Wir sollten die Verfassung ziemlich schnell ratifizieren und möglichst vorneweggehen“, sagte der Grünen-Politiker.
Der Außenminister zeigte sich aber offen für eine Grundgesetzänderung, die Volksentscheide generell ermöglichen würde. Er erinnerte daran, dass die Koalition ein entsprechendes Gesetz in den Bundestag einbringen werde, für das eine Zweidrittelmehrheit nötig wäre.
Der Grünen-Abgeordnete Josef Winkler bekräftigte die Haltung seiner Partei für ein europaweites Referendum zur EU-Verfassung. „Nationale Referenden werden den Erfordernissen des gesamteuropäischen Integrationsprozesses nicht gerecht“, sagte Winkler. Grundsätzlich mache es aber keinen Sinn, Volksentscheide nur für einzelne Themen wie die EU-Verfassung zu fordern, betonte Winkler. Daher werde die Koalition erneut ihren Gesetzentwurf zur Einführung bundesweiter Volksentscheide im Bundestag einbringen. Ein entsprechender Entwurf der rot-grünen Regierung war vor zwei Jahren an Union und FDP gescheitert.
Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Max Stadler, nannte es widersprüchlich, dass SPD und Grüne einen Volksentscheid auf Bundesebene einführen wollen, sich aber zugleich gegen eine Volksabstimmung über die Verfassung der Europäischen Union wenden. Die Annahme der EU-Verfassung sei eine der bedeutsamsten politischen Fragen der nächsten Zeit.
Seit Großbritannien und Frankreich Volksabstimmungen über die Ratifizierung der EU-Verfassung angekündigt haben, gibt es auch in Deutschland eine Debatte über die Möglichkeit, die Bevölkerung über Annahme oder Ablehnung der Verfassung entscheiden zu lassen.
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