Rüttgers geht auf Tauchstation

CDU-Bundestagsfraktionsvize Merz will den Kündigungsschutz abschaffen – und demontiert so die Wahlkampfstrategie von NRW-Oppositionsführer Rüttgers. Doch der will sich dazu nicht äußern

VON ANDREAS WYPUTTA

Wut und Frust bei den nord–rhein-westfälischen Christdemokraten: Mit seiner Forderung nach völliger Aufhebung des Kündigungsschutzes torpediert Friedrich Merz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU-Bundestagsfraktion, den geplanten sozialen Anstrich des NRW-Landtagswahlkampfs seiner Partei. Merz agiere „kontraproduktiv“, findet nicht nur der sozialpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Rudolf Henke – die Position des Ex-Bundestagsfraktionschef sei nicht durch Beschlüsse von Parteigremien oder gar der Düsseldorfer Landtagsfraktion gedeckt. Auch der Bundesvorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Hermann-Josef Arentz, kritisierte den Vorstoß als „fundamentalen Angriff einiger Weniger auf die Sicherheit der Arbeitnehmer“. Direkt warnte Arentz vor Stimmenverlusten: Die Abschaffung des Kündigungsschutzes könne „ein sicheres Mittel sein, dass die CDU nicht drankommt“. Die Vorsitzenden von CDU und CSU, Angela Merkel und Edmund Stoiber, müssten die Debatte so schnell wie möglich unterbinden.

Nordrhein-Westfalens CDU-Oppositionsführer Jürgen Rüttgers scheint sich dagegen seiner Sache nicht sicher zu sein – Merz hat mit den christdemokratischen Ministerpräsidenten von Hessen und Niedersachsen, Roland Koch und Christian Wulff, mächtige Unterstützer um sich geschart. Rüttgers blieb gestern auf Tauchstation: Der nordrhein-westfälische Partei- und Fraktionschef sei in Urlaub und deshalb nicht zu erreichen, so ein Sprecher zur taz. Dies sei aber „ungewöhnlich“. Bisher hatte Rüttgers versucht, die angedachten CDU-Reformen etwa bei der Kopfpauschale in eine soziale Richtung weg von völliger Eigenverantwortung zu lenken.

Umso härter aber fiel die Reaktion aus Rüttgers‘ Fraktion aus: Merz baue „einen Popanz“ auf, sagt CDU-Sozialexperte Henke: „Diese Einzelmeinung ist völlig falsch.“ Allerdings stehe auch er für eine weitere Flexibilisierung des Kündigungsschutzes gerade für ältere Arbeitnehmer: Ab 55 sollten die bereits bei ihrem Eintritt in ein Unternehmen vereinbaren, ob sie statt des Kündigungsschutzes nicht lieber mit einer Abfindung unbürokratisch ausscheiden wollten. „Damit lässt sich eine sechsstellige Zahl an Arbeitsgerichtsprozessen vermeiden“, glaubt Henke.

Scharfe Kritik kam auch von Vertretern der rot-grünen Koalition: Offen betreibe Merz „den Ausstieg aus dem Sozialstaat“, so Michael Groschek, Generalsekretär der nordrhein-westfälischen SPD, zur taz. Merz verstoße gegen das Sozialstaatsgebot der Verfassung. „Herr Merz ist ein sozialpolitischer Verfassungsfeind.“ Merz Vorstoß entlarve die Union, findet auch die Sozialexpertin der Grünen, Barbara Steffens: „Damit wird die unsoziale Politik der CDU deutlich.“