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Archiv-Artikel

Am Ökoweinberg geht es steil aufwärts

Die deutschen Winzer mit Biozertifikat haben Zuwächse im zweistelligen Prozentbereich. 2008 bewirtschafteten sie rund 3 Prozent der hiesigen Gesamtfläche. Das Wachstum kann also noch eine ganze Weile weitergehen

Die einst grundsätzliche Frage, ob herkömmlich angebaute Weine jenen mit Biozertifikat überlegen sind, stellt sich Genießern schon lange nicht mehr. Fragt sich höchstens noch, wer hier wen fürchten muss. Denn Winzer und Händler setzen zunehmend ökologisch angebaute Rebsäfte, die eine anspruchsvolle Kundschaft zufriedenstellen.

Biowein wird ohne chemische oder synthetische Spritz- oder Düngemittel hergestellt. Die Winzer dürfen aber natürliche Hilfsmittel wie zum Beispiel Kupfer oder Schwefel verwenden, mit denen Pilzerkrankungen wie der sogenannte Echte oder Falsche Mehltau bekämpft werden. „Gentechnisch veränderte Organismen sind ein Tabu“, ergänzt Götz Drewitz, Geschäftsführer des Ecovin Bundesverbandes Ökologischer Weinbau. Ausdrücklich fühlen sich die Winzer, die in dem Verband organisiert sind, verpflichtet, die natürliche Fruchtbarkeit des Bodens wiederherzustellen, zu erhalten oder zu steigern. So werden zum Beispiel zwischen den Weinstöcken Pflanzen eingesät, die Insekten oder Vögeln einen Lebensraum bieten. „Das Ökosystem Weinberg soll stark sein, sodass es weniger anfällig für Krankheiten ist.“ Um den Einsatz von Schwefel weiter zu reduzieren, setzen Biowinzer Pflanzen zwischen die Rebstöcke, die der Luft Stickstoff entziehen, der dann dem Boden zugutekommt. Mindestens einmal im Jahr kontrollieren die Prüfer staatlicher Kontrollstellen, ob die Richtlinien des Verbands – die deutlich strenger sind als die der EU-Bioverordnung – auch eingehalten werden.

Noch viel Raum nach oben

Die Mitglieder des Verbands, unter dessen Dach bundesweit 214 Betriebe Platz finden, die ausschließlich Ökoweine produzieren, haben im vergangenen Jahr insgesamt auf rund 12.000 Hektar Ökowein produziert. Das klingt zwar beachtlich, macht aber nur rund 3 Prozent der gesamten Anbaufläche für Wein in Deutschland aus. Trotzdem blickt Drewitz optimistisch in die Zukunft: „Ich rechne damit, dass wir weiterhin Zuwächse im zweistelligen Prozentbereich haben werden – beim Biowein ist noch ordentlich Raum nach oben.“

Die Zuwächse der vergangenen Jahre konnten sich sehen lassen, weiß auch Peter Kropf vom Weinhändler Delinat, der seit mehr als 25 Jahren ausschließlich biologisch angebaute Weine verkauft: „In den letzten Jahren sind unsere Verkäufe zweistellig gewachsen“, so der Marketingleiter. Rund 3 Millionen Flaschen Biowein vertreibt der Weinpionier, der vor allem nach Deutschland, Österreich und in die Schweiz liefert. Aus der Ökonische kommen die Liebhaber von edlen Biotropfen schon lange nicht mehr: „In den 70er-Jahren war es vor allem die ‚Birkenstockfraktion‘, die Ökokleidung trug, sich biologisch ernährte und natürlich Biowein trank.“ Die Qualität des Rebensafts sei damals „eher schlecht“ gewesen. Das habe sich radikal geändert: „Inzwischen zählt für unsere Kunden vor allem die Qualität des Weins.“ Berühmte Winzer, die ihre edlen Tropfen auf höchstem Niveau weiterveredeln wollten, würden zunehmend auf biologisch angebaute Trauben setzen.

Diese Einschätzung teilt Bernd Kreis, ehemals Chefsommelier im Stuttgarter Edelrestaurant Wielandshöhe: „Das Qualitätspotenzial bei Biowein ist größer als bei konventionell erzeugtem Wein, weil man aus ökologisch angebauten Trauben einen besseren Wein herstellen kann.“ Es gebe weltweit „zahlreiche wirkliche Spitzenweine, die ökologisch erzeugt wurden“, so Kreis, der heute eine Weinhandlung in Stuttgart betreibt. Wer seinen Biowein beim Discounter kaufe, bekomme zwar einen Rebensaft, das aus ökologisch angebauten Zutaten bestehe, das sei aber „trotzdem ein industriell erzeugtes Produkt“. Verständlich, dass mühsam handwerklich produzierte Weine nicht für 1,99 Euro über den Ladentisch gehen könnten.

Dass sich Biowein auch dem kritischen Urteil von Weinprofis stellt, zeigt die diesjährige BioFach, die in ihrer Weinhalle zum elften Mal den Internationalen Bioweinpreis verleiht: Bereits im vergangenen November hatte eine internationale Jury mehr als 520 Bioweine aus dreizehn Ländern verkostet.

Weltklasse in Nürnberg

Das Ergebnis: Die Jury vergab elfmal „Großes Gold“, sechzigmal „Gold“ und 129-mal „Silber“. Besucher der BioFach können sich in der Vinothek der Messe selbst von der Qualität der prämierten Tropfen überzeugen. Und das lohnt, denn die Kriterien für Großes Gold versprechen „Weltklasseweine, die ein unvergessliches, prägendes, sinnliches Erlebnis gewährleisten“.

Zu tief sollten Weinliebhaber auch angesichts solcher Spitzenweine nicht ins Glas schauen. Dass der ausgiebige Genuss von Biowein die Kopfschmerzen am nächsten Tag reduziert, ist nämlich ein Gerücht: Für den schweren Kopf sind vor allem die sogenannten Fuselalkohole, die Alkoholmenge und der damit verbundene Wasserverlust verantwortlich. Und zumindest da steht Biowein nicht besser da als konventioneller. VOLKER ENGELS