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Archiv-Artikel

„Ein aufgebauschter Film“

Der US-Amerikaner Dean Reed ging 1972 in die DDR, wo er 1986 Selbstmord beging. Thomas Sindermann, Exleiter der Ostberliner Mordkommission, über das Interesse Hollywoods an dem Fall

INTERVIEW BARBARA BOLLWAHN

taz: Tom Hanks hat sich die Rechte an der Lebensgeschichte von Dean Reed gesichert und zur Vorbereitung auch mit Ihnen gesprochen. Inwiefern konnten Sie ihm helfen?

Thomas Sindermann: Indem ich ihm den Sachverhalt so dargestellt habe, wie ich ihn erlebt hatte. Tom Hanks fragte nach den Umständen der Auffindung von Dean Reed, den Ermittlungsergebnissen, dem Abschiedsbrief, dem Ansehen von Dean Reed, welche Filme er gemacht hatte, welche amerikanischen Filme zu DDR-Zeiten ausgestrahlt wurden.

Können Sie das Interesse an der Geschichte als Filmstoff nachvollziehen?

Bei Tom Hanks kann ich mir das gar nicht erklären, muss ich sagen. Bei Wiebke Reed, die einen Dokumentarfilm über ihn plant, ist mir das klar, bei ihrer persönlichen Verbindung dazu. Ich habe Tom Hanks bei dem Treffen auch gesagt, dass ich mir nicht vorstellen kann, was bei so einem Film groß rauskommen soll. Da wurde mir gesagt, dass genau das geprüft werden soll, ob sich die Geschichte überhaupt lohnt.

Es ist ja nicht alle Tage vorgekommen, dass ein US-Amerikaner freiwillig in die DDR ging.

Aus meiner Sicht reicht das nicht, ich sehe die Story nicht. Aber ich bin ja kein Regisseur. Es gab in der DDR auch vor Dean Reed Amerikaner, die, naja, nicht unter Verschluss waren, aber ruhig und nicht so bekannt. Dean Reed war zudem nicht sehr beliebt bei seinen amerikanischen Kollegen, gerade von der Kommunistischen Partei, weil er die große Klappe haben konnte aus einer relativ sicheren Ecke und sich vor Ort nicht blicken ließ.

Sie waren offenbar kein Fan?

Nein, Dean Reed war für mich kein Künstler, der mich groß interessiert hat, auch wegen der Qualität der Filme. Es ist sowieso nicht mein Ding, wenn jemand so hochgepuscht wird.

Sie haben 1986 Reeds Leiche gefunden. War das ein Todesfall wie jeder andere auch?

Von der Sache her: ja. Ungewöhnlich war nur, wie wir an den Fall herangeführt wurden. Renate Blume, seine letzte Frau, hat das dem Eberhard Fensch [im ZK für Rundfunk und Fernsehen zuständig und Adressat des Abschiedsbriefes, Anm. d. Red.] gemeldet, der rief die zuständigen Organe vom MfS, und die haben sich dann an uns gewandt. Normal wäre gewesen, sich gleich an uns zu wenden. Ich wusste ja, dass er Künstler ist. Offen gesagt, die sind ja etwas durchgeknallt, und da war ein Selbstmord ziemlich wahrscheinlich.

Was für einen Film erwarten Sie nach dem zweistündigen Gespräch mit Tom Hanks?

Schlicht und einfach einen Film, in dem das Leben von Dean Reed dargestellt wird, mit dem Selbstmord als Ende. Es wird sicher ein typisch aufgebauschter Hollywoodfilm.

Von offizieller Seite wurde der Abschiedsbrief, in dem Dean Reed persönliche Probleme als Motiv nannte, unter Verschluss gehalten. Fanden Sie das richtig?

Ich wusste von den Kollegen vom MfS von dem Brief. Die offizielle Lösung war absoluter Blödsinn. Darüber hatte ich auch mit meinem Vater gesprochen, der ja in entsprechender Position war [Horst Sindermann war Volkskammerpräsident, Anm. d. Red.], und der sagte auch, dass das Zentralkomitee so eine Quatschbude ist, dass es nach kurzer Zeit sowieso alle wüssten.

Wie haben Sie das Treffen mit Tom Hanks erlebt?

Sehr interessant, wobei das hauptsächlich daran lag, dass ich ihn gegenübersitzen hatte. Ich fand ihn schon immer sympathisch und kenne fast alle seine Filme. Er hat mir auch Autogramme für meine Kinder gegeben.

Hatten Sie das Gefühl, dass er eine ungefähre Vorstellung von der DDR hatte?

Er hat sich schon damit beschäftigt und sicher eine bessere Vorstellung als viele Amerikaner.