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Archiv-Artikel

Sexismus für alle

Des Penis‘ Anmut ist immer noch umstritten. Einigkeit besteht nur darin, dass man ihn besser nicht zeigt

Der amerikanische Fotograf und Filmemacher Larry Clark (61) hat kein Problem damit, Penisse zu zeigen: „Sind nackte Frauen und aufgestellte Brustwarzen o.k. , aber Schwänze nicht?“, fragte er im Spiegel-Interview. Er findet es „dumm und sexistisch“, das männliche Geschlechtsteil zu unterschlagen, und zeigt dieses in seinem neuen Film „Ken Park“ nicht nur in erigiertem Zustand, sondern sogar ejakulierend.

Die rezensierende Presse tut sich da etwas schwerer, dem althergebrachten Konsens hörig, dass ein Penis in der Öffentlichkeit nichts verloren hat: Nahezu sämtliche Publikationen verwendeten das zur Verfügung stehende Bildmaterial unter Ausschluss des abgebildeten männlichen Genitals, obwohl dieses nicht versteift war und somit nicht gegen die Auflagen des Jugendschutzes verstieß. Es wurde abgeschnitten, unterschlagen, ignoriert und bei der taz sogar geschwärzt, allerdings nicht mit Absicht. Die betreffende Stelle des Fotos ist im Druck einfach mit Druckerschwärze „zugelaufen“, so nennt man das im Repro-Jargon.

Das „beste Stück“ des Mannes, von Max Goldt auch schon mal als „Außengedärm“ bezeichnet, wird den KonsumentInnen von Werbung, Film und Printmedien zumeist vorenthalten, obwohl rein juristisch nichts gegen eine Veröffentlichung der nackten Tatsachen spricht. Dies muss verwundern, ist doch auch der Mann im Laufe der 90er-Jahre zunehmend zum werbewirksamen (Sex-)Objekt mutiert. Dennoch hatte die vor eineinhalb Jahren von Modestar Tom Ford lancierte Yves-Saint-Laurent-Kampagne für das Parfüm „M7“ für weltweite Empörung gesorgt: Der knackige französische Taek-Wan-Do Europameister Samuel de Cubber war dort mit wohlfrisiertem Schamhaar und allem, was sonst noch dazugehört, abgebildet. Englische Medien hatten sich damals komplett geweigert, die Anzeigen zu drucken, andere Länder mussten sich mit der auf Waschbrettbauchhöhe beschränkten Variante begnügen.

In Deutschland lief die Kampagne unzensiert, einen Paradigmenwechsel hat sie jedoch nicht ausgelöst. Das männliche Glied bleibt von der sexistischen Ausbeutung ausgeschlossen und fristet weiterhin sein verklemmtes Schattendasein in der Unterhose. Gleichberechtigung tut hier Not. Sonst werden wir am Ende nie erfahren, was es mit Brad Pitts „Hamstergehänge“ auf sich hat, das er sich selbst attestierte und in dem Film „Troja“ mal wieder nicht zeigen durfte.MARTIN REICHERT