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Archiv-Artikel

Polizei verhaftet Basilikum – und lässt es frei

Ein Referent des Bundesbildungsministeriums wird von einem jungen Mann aus dem Strichermilieu des Besitzes von Drogen bezichtigt. Statt sich erst mal die Vorgeschichte zu Gemüte zu führen, rückt die Polizei zur Hausdurchsuchung an

Martin Kilian*, Referent im Bundesministerium für Bildung und Forschung, ist aus tiefstem Herzen empört. „Was sich die Berliner Polizei da geleistet hat, war die reinste Machtdemonstration. Die haben den Spieß einfach umgedreht“, bricht es aus dem 47-jährigen schwulen Juristen heraus.

Es geschah am vergangenen Samstagvormittag in Prenzlauer Berg. Der Bundesbedienstete steht gerade unter der Dusche, als es an der Wohnungstür klingelt. Mit notdürftig um die Hüften geschlungenem Handtuch öffnet er. Draußen stehen zwei Grünuniformierte und ein junger Grieche, den Kilian bis vor kurzem als Untermieter in seiner geräumigen Dachgeschoss-Eigentumswohnung beherbergt hat. Mit der Begründung, man müsse eine Hausdurchsuchung vornehmen, es bestehe dringender Verdacht, dass Kilian Drogen versteckt habe, forderten die Polizisten Einlass. Wenn Kilian sie nicht hereinlasse, würden sie sich wegen Gefahr im Verzuge zwangsweise Zutritt verschaffen.

Notgedrungen gibt Kilian die Tür frei. „Meine ganze Wohnung wurde auf den Kopf gestellt“, berichtet der Bundesbedienstete. „Guck mal, diese Leute wohnen hier jetzt“, habe einer der Polizisten zu den anderen gesagt.

„Sämtliche Schubladen wurden durchwühlt, alle Gewürzgläser aufgeschraubt. Der Gipfel war, dass sie meine Basilikumpflanze aus dem Balkonkasten rissen und triumphierend runter auf die Straße zum Funkwagen schleppten.“ Die Funkwagenbesatzung erkennt allerdings, dass Basilikum kein Rauschgift ist, und schickt den Beamten mit der Pflanze wieder nach oben. Dort wird das Grünzeug zum Entsetzen Kilians achtlos auf den Boden geworfen. „Alles war mit Blumenerde verschmutzt.“

Sein einziger Trost, sagt Kilian, sei, dass er einen Zeugen für diese unverhältnismäßige Polizeiaktion habe. Weil es der Zufall so wollte, hatte er just zu dem Zeitpunkt Besuch von einem Bekannten aus dem Bundesfinanzministerium. Die beiden wollten zusammen Shoppen gehen. Doch jener Bekannte reagiert geradezu panisch, als ihn die taz nach seinem Eindruck von der Polizeiaktion befragen will: Er werde sich zu nichts und niemand äußern, auch inkognito nicht, winkt der Bundesbedienstete entsetzt ab.

Was Martin Kilian an dem Vorfall so empört, ist nicht nur mangelnde Professionalität und psychologisches Geschick der Beamten vom Polizeiabschnitt 16 im Umgang mit Menschen. Noch schlimmer findet er, dass er vom Opfer zum Täter stilisiert wurde. Um dass zu verstehen, muss man wissen, was es mit dem jungen Griechen auf sich hat. Der gebürtige Hamburger Kilian hatte den Griechen, der zeitweise im Strichermilieu verkehrt, vor ein paar Jahren in der Hansestadt bei einer Rechtsberatung kennengelernt. Vor einem halben Jahr klopfte der Grieche plötzlich in Berlin bei Kilian an. Der nahm ihn in Absprache mit dem Sozialamt als Untermieter auf.

Aber schon bald zeigte sich, dass er mit dem jungen Mann, der ihn beklaute und Drogen konsumierte, nichts als Ärger hatte. Vor ein paar Wochen zog der Grieche mit Sack und Pack – in dem sich auch ein paar teure Unterhosen und T-Shirts sowie das Handy von Kilian befanden – aus. Auf Anraten des Sozialamts tauschte Kilian das Türschloss aus. Zu der letzten Begegnung vor der Durchsuchung kam es, als laut Kilian der Grieche ihn beim Versuch, neuerlich in die Wohnung einzudringen, zusammenschlug. Kilian erstattete danach Strafanzeige gegen den Mann bei genau jenem Polizeiabschnitt, der am 16. August die Hausdurchsuchung veranlasste. Der Grieche hatte gegenüber der Polizei ausgesagt, er müsse noch persönliche Sachen aus der Wohnung holen, außerdem habe der Inhaber Drogen versteckt. Das hatte ausgereicht, um die Polizisten in Gang zu setzen. Die Vorgeschichte hatte offenbar keine Rolle gespielt.

Ein Polizeisprecher verteidigte das Vorgehen gestern mit den Worten: „Es ist nicht zu erkennen, dass die Kollegen in irgendeiner Weise fehlerhaft gehandelt haben.“ Schließlich sei in der Wohnung laut Durchsuchungsprotokoll „ein vertrockneter Pflanzenrest einer Btm-suspekten Pflanze“ gefunden worden. PLUTONIA PLARRE

* Name geändert