: Vom Holzskandal ins Spitzenamt
Der neue Präsident des Naturschutzbundes, Olaf Tschimpke, kritisiert die Umsetzung der rot-grünen Umweltpolitik
Es war ein Tiefpunkt für ihn: Olaf Tschimpke musste vor der Presse zugeben, dass der Naturschutzbund Nabu politisch unkorrektes Tropenholz zum Bau seiner Beobachtungsstände an der ostfriesischen Küste verwandt hatte. Zudem hatten Mitglieder Holzteile mit chromhaltigen Chemikalien imprägniert. Das war im April diesen Jahres.Tschimpke, zu dem Zeitpunkt noch niedersächsischer Landesvorsitzender des Nabu, kündigte an, künftig den Rat von Holzexperten einzuholen. Ein schwerer Schlag für einen Verband, der sich den Umweltschutz auf die Fahne geschrieben hat.
Nach dem Tiefpunkt kam der Aufschwung. Mittlerweile Präsident des gesamten Nabu, kritisierte Tschimpke gestern die Umweltpolitik der Bundesregierung. Nach der Tropenholzaffäre war der 47-Jährige nicht ganz ohne Probleme in das höchste Amt seines Verbandes gewählt worden. Zum ersten Mal in der mehr als 100-jährigen Geschichte brauchte die Nabu-Versammlung im Juni zwei Wahlgänge, um die Amtsnachfolge zu bestimmen. „Eine sehr spannende Wahl“, wie der neue Spitzenmann Tschimpke damals fand.
Welche Richtung der neue Nabu-Präsident bei der Umweltpolitik einschlägt, hat Tschimpke bei der Vorstellung des Nabu-Jahresberichts gestern angedeutet. „Die Flut im letzten Jahr und Dürre in diesem Jahr: Die deutlichen Warnsignale müssen ernst genommen werden“, sagte der studierte Geograf und Wirtschaftswissenschaftler. Deshalb forderte er die Rückverlegung von Deichen an den Flüssen. Damit sollen natürliche Überschwemmungsflächen entstehen. Dem geplanten Ausbau des Saale-Kanals, der in die Elbe mündet, erteilte Tschimpke eine „klare Absage“.
In seiner vierjährigen Amtszeit will der neue Nabu-Präsident Vorschläge für ein Bundeswaldgesetz liefern. „Das heißt: Verzicht auf Düngemittel und Kahlschläge sowie den Schutz von Biotopen.“ Auch das veraltete Jagdgesetz solle reformiert werden. „Bedrohte Tierarten, die eigentlich längst geschützt werden müssten, dürfen nicht mehr gejagt werden“, so Olaf Tschimpke.
Doch nicht nur Naturschutz und Nachhaltigkeit will der neue Nabu-Spitzenmann einfordern. Auch der Verband soll umgestaltet werden: Das Profil des Nabu will Tschimpke schärfen. „Wir müssen künftig unsere Kernthemen bestimmen“, sagte der neue Präsident. Der Integrator Tschimpke deutet an, was das heißen soll: Ein schwieriger Balanceakt zwischen dem regionalen und europaweiten Engagement des Verbandes für die Natur. „Naturschutz findet zunehmend auf der europäischen Ebene statt.“ Deshalb werde die Organisation jetzt ein Büro in Brüssel aufbauen. In den Regionen will Tschimpke die größtenteils ehrenamtliche Arbeit stärken und den Zugang für neue Mitglieder erleichtern. „Wir brauchen keine starren Vereinsregeln“, sagte Tschimpke.
Sein Weg im Nabu führte Tschimpke allmählich nach oben: Ab 1976 setzte er sich für die Jugendarbeit ein. Anfang der 80er-Jahre reiste Tschimpke nach Sri Lanka, Tansania und Indien und engagierte sich in der Entwicklungpolitik. Dort erforschte er die Küstengebiete und lieferte Vorschläge für den Küstenschutz. Nach einer Etappe als Geschäftsführer des Nabu wurde Tschimpke 2000 Vorsitzender in Niedersachsen.
ADALBERT SINIAWSKI