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Archiv-Artikel

An der Warschauer Börse geht‘s bergauf

Polnische Unternehmen erwirtschaften das beste Ergebnis seit drei Jahren. Dafür verlieren aber viele ihre Jobs

WARSCHAU taz ■ In Polen steigt der Optimismus. Von 216 börsennotierten Unternehmen, die ihre Berichte bereits publiziert haben, konnten 138 einen Gewinn verbuchen. Insgesamt haben sie rund 1,5 Milliarden Zloty (35 Millionen Euro) Nettogewinn erwirtschaftet. Das ist das beste Ergebnis seit drei Jahren.

Der Erfolg aber trügt. Denn ganz dem allgemeinen Trend entsprechend reduzieren polnischen Firmen ihre Belegschaften. In den letzten zwei Jahren entließen die erfolgreichsten Firmen an der Warschauer Börse rund ein Drittel ihrer Arbeitnehmer. Die Arbeitslosenquote liegt in Polen derzeit bei 17,8 Prozent.

Die Börsenindices kümmert das nicht, sie steigen. Der Leitindex der Warschauer Börse Wig 20, mit dem die 20 wichtigsten börsennotierten Aktiengesellschaften erfasst werden, hat seit Januar um 36 Prozent zugelegt. Er ist auf fast 20.000 Punkte geklettert. Vor allem die Exportwirtschaft Polens profitiert vom Eurokurs. In einem Jahr ist der Euro im Verhältnis zum Zloty 20 Prozent teurer geworden. So bieten die polnischen Unternehmer ihre Waren auf dem internationalen Markt günstig an.

Einer der Börsenstars ist der Erdölkonzern PKN Orlen, der in Deutschland vor kurzem knapp 500 BP-Tankstellen übernahm. Der Konzern hat im ersten Halbjahr 2003 einen Nettogewinn von 550 Millionen Zloty (rund 137 Millionen Euro) gemacht – mehr als im ganzen Jahr 2002. Positiv ist auch die Zwischenbilanz für das Baumaterialienunternehmen Cersanit. Für die ersten 6 Monate 2003 wies es ein Umsatzplus von 25,8 Prozent aus. Gute Ergebnisse haben auch die Lebensmittelproduzenten erreicht, die ihren Umsatz um 7,6 Prozent steigern konnten. Auffällig sind die Gewinne der Brauereien. Bier wird in Polen immer populärer und läuft dem Wodka allmählich den Rang ab. So konnte die Gruppe Zywiec im ersten Halbjahr 2003 mit einem Nettogewinn von 100 Millionen Euro 25 Millionen Euro) abschließen. Nur in der Computer- und Internet-Branche sieht es auch in Polen weiterhin schlecht aus.

Analysten zweifeln, ob der Höhenflug der Warschauer Börse anhalten wird. Es könnte durchaus sein, dass die Anleger, die in den letzten Wochen erhebliche Gewinne ihrer Aktien verbuchen konnten, diese nun verkaufen, um die Gewinne „mitzunehmen“. Andererseits sei es nicht ausgeschlossen, dass die Aktien der bislang erfolgreichen Unternehmen in Polen weiter im Wert steigen werden. Die Konjunktur scheint ja nun endlich – zumindest in Polen – wieder anzuziehen. GABRIELE LESSER