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Archiv-Artikel

Die Sucht wird zementiert

Drogeneinrichtungen kritisieren geplante Einschränkung der psychosozialen Betreuung von Suchtkranken. Rechtsanspruch soll gekippt, Betreuungszeit radikal gekürzt werden

Der Senat plant einen „Generalangriff“ gegen die psychosoziale Betreuung Drogensüchtiger. So jedenfalls bewerten sechs Drogenhilfeeinrichtungen den Entwurf einer neuen „Förderrichtlinie“ zur Finanzierung dieser Betreuungsform, die 2005 in Kraft treten soll. Von Förderung könne dabei aber nicht die Rede sein, kritisieren die Träger.

Denn das Papier sieht vor, den Rechtsanspruch auf psychosoziale Betreuung zu kippen und die Öffnungszeiten der Einrichtungen aber auch die Betreuungsstunden für deren Klienten radikal zu kürzen. „Das bedeutet die Ausdünnung der psychosozialen Betreuung bis hin zu ihrer völligen Bedeutungslosigkeit“, beklagt Rainer Schmidt, Geschäftsführer der „Palette“, eine der sechs den Senatsplan kritisierenden Drogenhilfeträger.

Rund 1.300 Konsumenten illegaler Drogen werden heute psychosozial betreut. Lebenshilfe, wie Schuldenberatung, Gesundheitsvorsorge und Wohnungssuche steht hier genauso auf dem Programm wie die Auseinandersetzung mit der Sucht und deren Therapie. Während substituierte, das heißt auf Methadon umgestellte, Drogenabhängige bislang einen einklagbaren Rechtsanspruch auf psychosoziale Angebote hatten, sollen diese in Zukunft laut Förderrichtlinie „als freiwillige Leistungen im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel“ gewährt werden.

Zudem soll die psychosoziale Betreuung nur ein einziges Mal, begrenzt auf zwei Jahre, gewährt werden. Schmidt: „Viele Klienten sind seit 15 Jahren auf Droge. Denen kann man nicht sagen, du hast nur einmal in deinem Leben Anspruch auf Hilfe.“ Da Sucht eine chronische Krankheit ist, sei es, so Schmidt, „Wahnsinn, den Langzeitabhängigen die einzige Anlaufstelle zu nehmen“.

Allein knapp die Hälfte der rund 400 von der Palette psychosozial betreuten Abhängigen, müssten von dieser sofort vor die Tür gesetzt werden. Da für Abhängige der Nachweis psychosozialer Betreuung aber sogar eine Voraussetzung für die Methadon-Vergabe ist, wäre hier sogar ein Ende der Substitution die Folge. „Wenn dieser Plan durchkommt, wird die Sucht der Betroffenen zementiert“, warnt deshalb Schmidt.

Die Drogenhilfevereine „Brücke“, „Jugendhilfe“, „Jugend hilft Jugend“, „SUBway“, „Therapiehilfe“ und Palette kritisieren weiterhin, dass in Zukunft offene Anlaufpunkte der psychosozialen Betreuung nur noch eine wöchentliche Öffnungszeit von 25 Stunden gefördert bekommen und die jährliche Betreuungszeit von rund 100 Stunden auf 24 bis 40 reduziert werden soll.

Vorschläge, die für Schmidt „fachlich nicht zu begründen und fernab von jeder Realität sind“. Der Palette-Geschäftsführer mutmaßt: „Wer sich so etwas ausdenkt, hat noch nie einen Tag in einer psychosozialen Betreuungseinrichtung verbracht.“Marco Carini