: Fliegende Händler machen rüber
Die Ausweitung der Verbotszone in Mitte für Bauchladenhandel trifft viele Straßenhändler hart. Doch manche haben Glück im Unglück: Sie stehen direkt an der „Zonengrenze“ und müssen nur die Straßenseite wechseln
Friedrichstraße Ecke Zimmerstraße. Zwei hoch gewachsene Polizisten steigen aus ihrem Streifenwagen. Während sie ihre offiziellen Mützchen zurechtrücken, blicken sie verächtlich auf die Souvenirmützen, die zwei Meter weiter auf Tapeziertischen ausgestellt sind. Die drei türkischstämmigen Händler, die mit den Relikten aus dem Kalten Krieg ihr Geld verdienen, zücken synchron ihre Zigarettenschachteln.
Sind die Beamten grüne Vorboten der neuen Verordnung vom Bezirksamt? „Vom Brandenburger Tor haben die uns schon vertrieben“, sagt einer von ihnen ärgerlich, aber halblaut. Ein anderer parliert aufgeregt auf Türkisch dazu. Die Polizisten schreiten stoisch an den Souvenirtischen entlang – wahrscheinlich zücken sie in Gedanken den Zollstock. Denn sie überprüfen, ob keine Matrioschkas, kein Militärorden die Gerade zum Gehweg überschreiten. Einer der Händler zuckelt noch eine CCCP-Flagge leicht an sich heran, dann biegen die Beamten wortlos in die Friedrichstraße ab.
Die Händlergesichter entspannen sich. Sie wissen zwar, dass ab Sonntag eine neue Verordnung des Bezirkamts Mitte in Kraft tritt. Doch ob die sie betrifft, wissen sie nicht. Bisher ist ihr Zauberwort „Privatgrundstück“. Genau ein solches ist nämlich das brach liegende Gelände, auf dem ansonsten nur ein paar Autos parken. „Solange wir unsere Füße nicht auf den Gehweg herausstrecken, können die uns nichts“, sagt einer der Händler. Keiner von ihnen möchte seinen Namen in der Zeitung lesen. Sie sind verunsichert, ob die neue Verordnung ihre Geschäfte illegal macht oder nicht. Im Zweifel könnten sie ihre Tische ein paar Meter weiter über die Bezirksgrenze nach Kreuzberg stellen – ganz legal, sofern ihnen das dortige Bezirksamt ein Sondernutzungsrecht erteilt.
Ähnlich verunsichert ist ein mobiler Würstchenverkäufer vor dem Dom Aquaree. „Man kann in dieser Stadt doch ohnehin nichts mehr verdienen. Jetzt werden wir immer weiter aus den lukrativen Gebieten verdrängt“, sagt er. Die Gewinnspanne eines „Grillwalkers“ sei ohnehin niedrig und dabei mache man sich mit dem schweren Umschnallgrill auch noch den Rücken kaputt. Dass sich Touristen von ihm belästigt fühlen könnten, wie es in der offiziellen Begründung des Bezirksamtes heißt, kann er sich nicht vorstellen: „Ich erlebe nur freundliche Reaktionen.“ Von der Ausweitung der Verbotszone hat er aus der Zeitung erfahren, informiert wurde er von den Behörden nicht. Um auf Nummer sicher zu gehen wird er wohl einfach die Straßenseite wechseln. Jenseits der Spandauer Straße, bestätigt das Straßen- und Grünflächenamt, ist das Verkaufen von Würstchen bislang noch keine Ordnungswidrigkeit. SAT, ALS