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Archiv-Artikel

Endlich Schluss mit der Chemieblockade

Rot-grüne Bundesregierung einigt sich mit der Wirtschaft auf eine Position zur europäischen Chemiepolitik

BERLIN taz ■ Die Chemie zwischen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) und Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) stimmt wieder – zumindest in einem Punkt. Am Donnerstagabend einigten sie sich gemeinsam mit dem Verband der Chemischen Industrie und der Gewerkschaft, Bergbau, Chemie, Energie auf eine Position zur Novelle des EU-Chemikalienrechts. Damit gibt die Wirtschaft überraschend ihre Blockadehaltung auf.

„Endlich ein konstruktiver Beitrag“ sagte Christian Hey, Generalsekretär des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU). Erst vor kurzem hatten SRU und Verbraucherschützer der rot-grünen Koalition vorgeworfen, die Reform der EU-Chemikalienverordnung zu bremsen. Dabei scheint die dringend notwendig. Das aktuelle Chemikalienrecht ist gut 20 Jahre alt und bewirkt offenbar wenig. Mal belegen Studien, dass sich giftige Flammschutzmittel in der Muttermilch anreichern, mal, dass Krebs erregende Chlorparaffine in der Antarktis auftauchen. So forderten die europäischen Umweltminister bereits 1999, Mensch und Umwelt müßten vor den Giften besser geschützt werden.

Seitdem streiten die Wirtschaft auf der einen Seite, Verbraucher und Umweltschützer auf der anderen. Im März legte die Europäische Kommission den dicksten Verordnungsentwurf der bisherigen Umweltpolitik vor. Danach muß die Industrie in den nächsten 11 Jahren rund 30.000 Chemikalien prüfen. „Das stürzt Deutschland in die Rezession“, ätzte die Industrie. „Bürokratisch“ und „innovationshemmend“ sei die Reform. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und der Wirtschaftsminister bangten um das Chemieland Deutschland.

Schröder wird nun EU-Kommissionspräsident Romano Prodi bitten, den EU-Entwurf zu überarbeiten. Er wird fordern, bürokratische Vorgaben zu vereinfachen, sich im Sinne des Betriebsgeheimnisses auf notwendige Daten zu beschränken und für Kunstoffe Ausnahmen zu treffen. Nicht nur der letzte Punkt ist für Umweltminister Trittin ein großes Zugeständnis: Im Kompromisspapier findet sich die umstrittene Clement-These wieder, die Chemiereform gefährde Jobs. HANNA GERSMANN