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Existenzielle Spurensuche

Räume der Sehnsucht und Leidenschaft, nüchtern beschrieben und doch nie zu betreten: Die jungen Autorinnen Annette Pehnt und Inka Parei lesen im Literaturhaus

Alle paar Monate fragte sie der Vater, was sie denn mal machen wolle, und wenn sie antwortete „Dolmetscherin oder Lehrerin, beugte er sich vor und sah mir prüfend ins Gesicht, und schlägt dein Herz dafür. Ich horchte in mich hinein und konnte mein Herz nicht hören.“

Für die namenlose Ich-Erzählerin in Annette Pehnts zweiten Roman Insel 34, aus dem sie jetzt im Literaturhaus liest, wird es existenziell, das innere Echo zum Klingen zu bringen. Sie erschafft sich den Raum ihrer Leidenschaft: die Erforschung der Insel 34, die kaum je einer betrat. Sie macht sich schließlich auf den Weg dorthin, lässt sich auf die Menschen dort ein. In fast nüchternem Ton erzählt Pehnt von der Unbedingtheit, mit der ihre Protagonistin ihrem Sehnsuchtsort entgegengeht – zu betreten ist er nicht.

Auch die Figuren Inka Pareis, wie Pehnt Jahrgang 67, sind allein unterwegs. Doch umgibt Hell, die Hauptfigur ihres Debüts Die Schattenboxerin, eine ganz andere Spannung. In einem abbruchreifen Berliner Haus ist sie eine von zweien, die geblieben sind. Ihrer Isolation ist eine Anspannung unterlegt, die Parei durch eine präzise, kühle Sprache vermittelt. So scharf lässt sie Hell ihre Umgebung wahrnehmen, so genau die körperlichen Gesten ihres Gegenüber beobachten, dass dadurch ihre inneren Verfasstheiten ahnbar werden, die gewohnte Distanz, die ungewohnte Nähe. Trotz eines fast kriminalistischen Plots bleibt die Figur Hell dabei Zentrum des Romans. In ihrem nächsten, aus dessen Manuskript sie jetzt liest, beeindruckt Parei erneut durch die genaue Sprache, mit der sie die Welt eines alten Mannes schildert. Einfühlsam geht sie seiner Einsamkeit nach. Der Perspektive, die sich jenseits der Zugehörigkeit ergibt, bleibt sie treu. C. EBELING

Annette Pehnt: Insel 34, München/Zürich 2003, 189 S., 16,90 Euro; Inka Parei: Die Schattenboxerin, Frankfurt/M. 1999, 192 S., 17,38 EuroLesung: 2.9., 20 Uhr, Literaturhaus, Schwanenwik 38

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