: „Uns Juniorprofessoren gehört trotzdem die Zukunft“
Henning Zülch wurde mit 29 Professor. Er weiß nicht, wie viel seine Qualifikation bald noch wert ist. Trotzdem glaubt er an das Konzept
taz: Herr Zülch, ist dies das Ende Ihrer Karriere?
Henning Zülch: Erst mal ist das Karlsruher Urteil natürlich ein Schock. Aber eigentlich sagt es doch: Nicht die Juniorprofessur an sich ist schlecht – sondern Bund und Länder rangeln um Kompetenzen.
Fürchten Sie nicht, künftig gegenüber habilitierten Nachwuchswissenschaftlern im Nachteil zu sein?
Natürlich bin ich besorgt. Ich bin jetzt seit zwei Jahren Juniorprofessor. Und was kommt danach? Durch das Karlsruher Urteil wird die Unsicherheit noch verschärft. Bin ich dann ein Zweite-Klasse-Lehrstuhlanwärter? Ganz klar: In den Ländern, die geklagt haben, sind wir Juniorprofessoren im Nachteil. Und vielleicht ändert ja auch Niedersachsen wieder sein Gesetz. Dann gäbe es auch künftig ein Nebeneinander: Klassische Habilitation und uns junge Wilde.
Wird das Urteil zu einem neuen Boom der Habilitation führen?
Die schwerfällige, verstaubte Habilitation – die hat sich überlebt. Ich selbst wäre nicht an der Uni geblieben, gäbe es nicht die Juniorprofessur. Ich wollte selbstständig arbeiten. Wir sind ein neuer Typus des Professors – jung, dynamisch und mit Managerqualitäten.
Kritiker nennen das eine McDonaldisierung der Wissenschaft.
Klar, bei einer Habilitation bleibt mehr Zeit für Forschung. Aber man braucht doch nicht 900 Seiten, um zu beweisen, dass man talentiert ist.
Dennoch trauen schon jetzt viele Ihrer Kollegen der neuen Kurz-Karriere nicht und schreiben nebenher eine Habilitationsschrift.
Auch aus diesem Grund haben wir Anfang des Jahres den Förderverein Juniorprofessur gegründet. Wir wollen eine bessere Lobby. Alle sollen begreifen, dass eine Juniorprofessur kein Bildungsverfall ist. Anfang Juli hatten wir ein großes Förderkreistreffen. Fast alle meinten: Wir würden den Weg Juniorprofessur wieder wählen. Wenn wir nicht an die Öffentlichkeit gehen, dann wird die Juniorprofessur bald bedeutungslos. Womöglich denkt Bildungsministerin Bulmahn jetzt, sie habe aufs falsche Pferd gesetzt.
Selbst die Befürworter der Juniorprofessur sagen: So ganz durchdacht ist das Konzept noch nicht.
Bulmahn sollte das Karlsruher Urteil als Chance sehen, die Juniorprofessur zu verbessern. Es fehlen etwa immer noch einheitliche Kriterien, wie Juniorprofessoren nach drei Jahren evaluiert werden. Auch müsste die Finanzierung überarbeitet werden. Ich habe einen Anspruch auf ein Fünftel Sekretärin und einen halben Mitarbeiter – konkret ist das einer, der nur von Dienstag bis Donnerstag da ist. Und braucht nicht ein Ingenieur oder Naturwissenschaftler mehr Forschungsgelder als ein Geisteswissenschaftler? Auch das Titelwirrwarr muss ein Ende haben. Wir niedersächsischen Juniorprofs dürfen uns Professoren nennen. In Sachsen heißen sie nur Doktor. Denn eins ist auch nach dem gestrigen Urteil klar: Den Juniorprofs gehört trotzdem die Zukunft.
INTERVIEW: COSIMA SCHMITT