: Hauen und Stechen in der Schule
Erstmals liegt eine repräsentative Studie zur Gewalt an Bremens Schulen vor. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Viele Schüler haben mittlerweile Angst, zur Schule zu gehen. Für Bildungssenator Willi Lemke (SPD) ist jetzt „Schluss mit Wegschauen“
Bremen taz ■ Jeder zehnte Bremer Schüler aus den Jahrgängen sieben bis zehn hat schon einmal Mitschüler unter Druck gesetzt oder erpresst. Jeder zwanzigste hat schon einmal Mitschüler „abgezogen“. Und etwa jeder vierzigste schreckt nicht davor zurück, seine Altersgenossen mit einer Waffe zu bedrohen oder zu verletzen. Zu diesem Ergebnis kommt jetzt die Auswertung der „Schülerbefragung über Gewalterfahrungen und Extremismus“. Die Studie wurde im letzten Jahr von der Akademie für Arbeit und Politik im Auftrag des Bremer Senats durchgeführt.
Professor Thomas Leithäuser und sein Team befragten über 4.000 SchülerInnen der Jahrgänge sieben bis 13. Die Forscher wollten wissen, welche Erfahrungen sie mit Gewalt in der Schule gemacht haben. Acht Schulzentren aus Bremen und vier aus Bremerhaven ließen ihre Schüler die Fragebogen ausfüllen. Untersuchungen dieser Größenordnung gab es bundesweit bisher noch nicht. Die Studie sei wegen der großen Teilnehmerzahl „im Bereich der Sekundarstufe 1 repräsentativ für ganz Bremen“, so Leithäuser.
Zwar hat nur eine Minderheit der Bremer Schüler persönlich Erfahrungen mit körperlicher Gewalt gemacht. Dennoch haben viele Angst davor, auf dem Schulhof zum Opfer zu werden. So gab etwa jeder dritte Befragte an, sich auf den Schultoiletten unsicher zu fühlen. Auf dem Pausenhof fühlt sich noch jeder vierte Befragte bedroht. Viele Schüler berichteten, dass Lehrer bei Gewaltakten häufig nicht eingriffen.
Gewalt entstehe meist schon im Elternhaus und im sozialen Umfeld der Schüler, erläuterte Professor Leithäuser. Erschreckend sei allerdings, dass etwa fünf Prozent der Jugendlichen angaben, gar keinen Anlass zu brauchen, um zuzuschlagen. Sie würden sich nur „abreagieren“. Zwölf Prozent der Befragten könnten sich vorstellen, auch selbst gewalttätig zu werden, wenn ihre Clique sie dazu drängen würde. Bei fast der Hälfte der Schüler sei eine „latent ausländerfeindliche Haltung“ zu verzeichnen. Kontakte zu rechtsradikalen Vereinigungen hätten jedoch nur unter fünf Prozent der Befragten. Positiv sei, so Leithäuser, dass Schulen „mit guter Aussicht auf Erfolg“ etwas gegen die Gewalt unternehmen könnten.
„Es gibt keinen Grund, auf diesen Bericht stolz zu sein“, kommentierte Bildungssenator Willi Lemke, „denn er enthält vieles, was ich an unseren Schulen nicht will“. Für Lemke ist jetzt „Schluss mit Wegschauen“. Schulen müssten Verantwortung übernehmen. Die Politik müsse den Schulen durch Abbau von Bürokratie Spielraum für schnelle Entscheidungen geben, so der Senator.
Thorsten Busch