: Wie viel Volk erträgt die SPD?
„Demokratie wagen“ ist ein schöner Slogan. Aber wenn es darum geht, in welcher Form das Volk auch direkt über Volksbegehren mitregieren darf, geben sich die Sozialdemokraten eher zugeknöpft
VON KLAUS WOLSCHNER
Es ist ein alter Auftrag aus dem rot-grünen Koalitionsvertrag von 2007, nun endlich gibt es einen „Zwischenbericht“: Die „Volksgesetzgebung“ soll erleichtert werden, neben der (repräsentativen) Vertretung des Volkes durch Abgeordnete in der Bürgerschaft soll das plebiszitäre Element direkter Demokratie gestärkt werden. Das ist nicht einfach, immerhin muss das Parlament beschließen, Macht abzugeben. Bisher sind die meisten Versuche von Volksentscheiden zudem am Bremer Staatsgerichtshof gescheitert: Da das Haushaltsrecht Sache des Parlaments sei nach der Bremer Landesverfassung, könnte das Volk direkt nichts beschließen, was Geld kostet – das würde in die Souveränität des Parlaments eingreifen, so das Gericht.
Der Kompromiss, auf den sich SPD und Grüne nach langen Verhandlungen geeinigt haben, sieht so aus: Um einen einfachen Volksentscheid in Gang zu bringen, müssen nicht mehr wie bisher zehn Prozent, sondern nur noch fünf Prozent der Wahlberechtigten unterschreiben. Im eigentlichen „Volksentscheid“ liegt das Quorum nicht mehr bei einem Viertel, sondern nur noch bei einem Fünftel der Wahlberechtigten. Gesetzesinitiativen, die Auswirkungen auf den Haushalt haben, sollen zudem möglich sein – in der Antragstellung für einen Volksentscheid allerdings ein „Deckungsvorschlag“ stehen. Das ist, so Tim Weber, Sprecher der Initiative „Mehr Demokratie“, eine schwierige Hürde, und die spannende Frage wird sein, ob ein allgemeiner Finanzierungs-Hinweis auch reichen wird.
Wirklich Streit gibt es beim Thema „Veränderung der Verfassung durch Volksentscheid“. Da ist die SPD hart geblieben – eine Änderung der bisher geltenden Quoren von 20 bzw. 50 Prozent der Stimmberechtigten kann man sich kaum vorstellen, sagt deren innenpolitischer Sprecher Björn Tschöpe. Die Grünen, so berichtet Hermann Kuhn, hätten da gern niedrigere Hürden gehabt, konnten sich aber schon im Koalitionsvertrag damit nicht durchsetzen. Allerdings hat die rot-grüne Koalition nicht die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit für diese Änderung: Sowohl CDU wie Linkspartei fordern die niedrigeren Quoren von 10 bzw. 40 Prozent der Stimmberechtigten. An einem solchen Quorum von 50 Prozent der Wahlberechtigten, so argumentierte in der Parlamentsdiskussion Sibylle Winther (CDU), wäre die Bremer Landesverfassung 1947 gescheitert. Und Klaus-Rainer Rupp (Linke) rechnete vor, dass bei einer Wahlbeteiligung von 60 Prozent der Senat bei seiner Wahl letztlich von nur 31 Prozent der Wahlberechtigten legitimiert wird. Selbst zwei Drittel von 60 Prozent wären 40 Prozent, das bedeutet: Für Verfassungsänderungen durch das Parlament selbst gilt eine geringere Quote, als die SPD sie jetzt für Volksentscheide fordern will. Das Thema wird in einem Ausschuss weiter beraten – „beide Seiten müssen sich überlegen, ob sie die Reform an dieser Frage scheitern lassen wollen“, sagt Kuhn.
Die SPD hätte gern mit der Erleichterung der Volksgesetzgebung die Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre verlängert. Das wäre völlig unverständlich, sagt Tim Weber, wenn nämlich an der einen Seite „mehr Vertrauen“ demonstriert würde und auf der anderen Seite das Wahlrecht wie eine Störung der Politik behandelt würde. Im Landesvorstand der Linkspartei wurde eindeutig gegen die Verlängerung der Wahlperiode votiert, auch die CDU macht da nicht mit, „jetzt nicht“ jedenfalls, sagt Sibylle Winther. So fehlt es auch da an der Zweidrittel-Mehrheit – der Punkt wurde letzte Woche von der Tagesordnung abgesetzt.