piwik no script img

Archiv-Artikel

Kürzungen: kurzer Prozess

Neues Konzept zur Betreuung jugendlicher Straffälliger: Niedersachsen streicht Mittel für 5.000 deliquente Kids. Dafür kümmern sich Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte intensiver um 39 Täter

Manchmal haben sie mehrere hundert Straftaten auf dem Kerbholz

aus HannoverKai Schöneberg

Die Großen hängt man, die Kleinen lässt man ins Ungewisse laufen – so lautet offenbar das neue Konzept zur Betreuung jugendlicher Straftäter in Niedersachsen. Während in Hannover die neuen Schnellverfahren für jugendliche Serientäter gerühmt wurden, klagte gestern fast gleichzeitig die Jugendgerichtsvereinigung (DVJJ) über tiefe Einschnitte bei Hilfen für das Gros der jugendlichen Straffälligen im Land. 61 Projekte mit 5.000 Jugendlichen seien durch die Sparpläne der Landesregierung in Gefahr, sagte der Vorsitzende der Jugendgerichtsvereinigung, Thomas Trenczek. „Da werden 20 Jahre erfolgreicher Kriminalpolitik zunichte gemacht.“

Im vergangenen Jahr habe das Land sozialpädagogische Maßnahmen wie die Betreuung jugendlicher Krimineller oder den Täter-Opfer-Ausgleich mit 1,8 Millionen Euro gefördert. Da die im kommenden Jahr komplett wegfallen sollen, stünden alle Projekte auf der Kippe, erklärte Trenczek auf dem 13. Jugendgerichtstag in Hannover. „Es geht darum, für diese Jugendlichen wieder Netzwerke zu knüpfen: Zur Schule, zur Ausbildung, zum Elternhaus“, erklärte Trenczek. Ohne die Gelder sei die Integration der betreuten Kids gefährdet.

Nicht 5.000, sondern nur 39 jugendlichen Straftätern widmeten sich etwa zur gleichen Zeit Polizeipräsident, leitender Oberstaatsanwalt und der Chef des Amtsgerichts Hannover, als sie die Erfolge der seit fünf Monaten eingeführten Schnellverfahren für Serientäter unter 21 Jahren rühmten. 39, das ist die Zahl derjenigen, die Hannovers Polizei derzeit besonders ins Auge gefasst hat, weil sie reihenweise Handys „ziehen“, klauen oder einbrechen. Manchmal haben sie mehrere hundert Straftaten auf dem Kerbholz.

Insgesamt seien seit März fünf beschleunigte Verfahren durchgezogen worden. Während in einem Fall nur 22 Tage von der Ergreifung des Täters bis zum Urteil verstrich, dauere ein Jugendprozess normalerweise rund drei Monate, sagte Amtsgerichtspräsident Volker Lessing. Die Vereinbarung mit Staatsanwaltschaft und Gerichten sei so erfolgreich, weil „im wahrsten Sinne des Wortes die Strafe auf dem Fuße folgt“, betonte Polizeipräsident Hans-Dieter Klosa. Die Jugendlichen sollten an der schnellen Reaktion merken, „dass der Staat kein Papiertiger ist“, meinte Hauke Jagau, Bürgermeister von Laatzen, das sich jetzt an den kurzen Prozessen beteiligt.