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Archiv-Artikel

Der Raum als Metapher

Mit Kurzfilmen zu Architektur von Marguerite Duras und Peter Greenaway gibt die Cinepolis-Reihe im Metropolis Antonionis „L‘eclisse“ einen neuen Kontext fern der Tetralogie der Gefühle

von STEFANIE MAECK

„Ich wollte ich würde dich nicht lieben oder ich würde dich viel mehr lieben“, sagt die betörend blonde Monica Vitti in L‘eclisse zu Alain Delon. Sie führt dabei mitten hinein ins dramaturgische Herz von Antonionis Film: in die Trostlosigkeit und Beziehungslosigkeit, die Zufälligkeit und Kontingenz in Liebesfragen, realisiert in einem choreographisch bespielten und inszenatorisch genutzten Raum. Enge Interieurs, spiegelnde Glasflächen und geometrische Linien kontrastieren einen visuellen Halt mit dem Haltlosen im Inneren der Figuren. Die Klarheit der Linien spiegelt eine emotionale Kälte, die den Film durchzieht.

Fenster, Türen und Spiegel werden Antonioni zu Rahmungen für stille Tableaus einer Beziehungsfrage, für schweigende Momentaufnahmen, die sich nach Sekunden des Innehaltens wieder zu bewegten Bildern verflüssigen, die von eskapistischen Visionen der Figuren kurz aber intensiv durchbrochen werden. Eine unergründbare Traurigkeit und ein Pessimismus schwebt über allen Orten – Innen wie Außen, die der Regisseur brilliant zu bespielen weiß. Die Menschen sind eingequetscht in zu engen Wohnungen, verloren auf weiten Straßenzügen und als absurd wimmelnder Haufen an der Börse zu sehen, deren kapitalistisches Gesetz allmählich auf die Liebe übergreift. Über allem ragt der Wasserturm des EU-Quartiers apokalyptisch wie ein Atompilz in den Himmel.

Die meisterhaft komponierte „Erzählung“ des Films findet besonders in formalen Mitteln ihre Kraft des Ausdrucks: Leere Zeitintervalle und die Auflösung der klassischen Dramaturgie und Opazität der Figuren entwerfen eine postmodern anmutende filmische „Architektur“ der Einsamkeit – des Hermetischen und Fragmentarischen, die sich dem Zuschauer als Verlust eindeutigen Sinns erschließt. Dabei wird das Räumliche zu einer atmosphärisch-verdichteten Metapher einer Zeit, in der die Liebe wohl die riskanteste Transaktion ist. Die üppigen Vorhänge im Appartement werden Antonioni zur theatralen Staffage für sein Geschlechter-Szenario.

Der Aufführung von L‘eclisse hat das Team der Cinepolis-Reihe – quasi als Vorprogramm – verschiedene Raritäten des strukturalistischen Films vorangestellt, die den Antonioni-Klassiker aus der Tetralogie der Gefühle (L‘avventura, La notte, Il deserto rosso) in einen neuen Kontext stellen und ihm eine andere Tonalität verleihen. Gezeigt werden drei zu einem zusammengefasste Kurzfilme mit dem Titel Ryo, Central, Plages von Dominique Gonzalez-Foerster, die Begegnungen vor geometrischen Fassaden einfangen, Menschen in urbanen Strukturen und vor der Silhouette der dunstigen Großstadt Hong Kong zeigen. An der Brücke eines Anlegers oder auf einem Dampfer entlang der Ufer des Kamo sind sie einsame Nomaden der Großstadt mit Blick auf das Wasser.

Der auf der Documenta 11 gezeigte Chicago Drive von Isa Genzken fängt mit einem kunstvollen Auge wechselnde Ansichten der Stadt ein: Eine gleitende Kamerafahrt aus einem Auto in Bewegung zeigt surreal anmutende Wolkenkratzer, monochrome Bilder von eigener Faszination, fängt Industriearreale ein, Highways, Einkaufszentren und immer wieder Menschen, die in der Betonwüste wie eingesperrt wirken. Im Bild aufragende Türme sind zu Stein gewordene Allegorien einer drängenden Frage: Wie sind Menschen in Städten und urbanen Zonen überhaupt noch menschlich aufgehoben?

Die Stadt als ein Zeichensystem entdeckt auch Greenaways Intervals, der Venedig als einen Ort nutzt, in dem alt und neu, noble und abgerissene Fassaden in rhythmisierten Bildern gegenübergestellt werden. Und Cäsarea von Marguerite Duras versucht schließlich, die Magie eines Ortes in Bildern einzufangen. Statuen sprechen von historischen Leiden und werden von einer beweglichen Kamera umspielt.

Kurzfilmprogramm „Mentale Architektur“ (Einführung: Jörn Schafaff): morgen, 19.15 Uhr; L‘eclisse (Einführung: Britta von Heintze): morgen, 21.15 Uhr, Metropolis