DER HOHE ÖLPREIS SCHADET VOR ALLEM DEN ÄRMSTEN : Schadenfreude ist fehl am Platz
Ein Anschlag nach dem anderen im Irak, und dann will die russische Regierung noch Yukos, einen ihrer größten Ölkonzerne, zerschlagen: Der Ölpreis droht angesichts dieser Aussichten in der nächsten Zeit über 40 Dollar pro Fass zu bleiben. Auf der politischen Linken ist eine klammheimliche Freude darüber auszumachen – werden die Amis und die Kapitalisten schon sehen, was ihnen ihre aggressive Art und der hemmungslose Ölverbrauch einbringen. Doch hier ist in jeder Richtung Schadenfreude fehl am Platz. Sollte der Ölpreis kurzfristig hoch bleiben, wird das zarte Konjunkturpflänzchen im Euroraum wieder verkümmern. Damit sinken Steuereinnahmen und Gewinne, die Spirale bei Entlassungen, Arbeiterrechten und Sozialkürzungen hierzulande würde munter weitergehen.
Auf lange Sicht hingegen trifft ein hoher Ölpreis vor allem die Ärmsten und Schwellenländer wie China. Die meisten dieser Staaten sind Ölimporteure. Der Einkauf von Rohstoffen, die häufig mit dem Erdöl teurer werden, frisst dort einen viel höheren Teil der Wertschöpfung auf als in den Industrieländern. Während die Hightechländer sich innerhalb von ein paar Jahren an die viel schlimmeren Ölpreisschocks der 70er- und 80er-Jahre gewöhnten, kippten die armen Staaten in die Schuldenfalle.
Und auch die Umweltschützer setzten vergebliche Hoffnungen auf die hohen Ölpreise. Denn die reichen Länder lassen sich ihren Wirtschaftsstil nicht von zehn oder zwanzig Dollar mehr für ein Fass Rohöl verleiden. Solange es genügend Öl gibt – also noch drei, vier Generationen lang –, läuft die globale Maschine weiter, heizen 300-PS-Autos das Klima auf, werden Rohstoffe aus aller Welt hin und her geschippert. Weil es in unserem Wirtschaftssystem billiger bleibt, zu verschwenden als zu sparen. Ein hoher Ölpreis verschiebt hier nur ein wenig die Grenze, ab der es sich lohnt, Energie durch Know-how zu ersetzen. Das Prinzip bleibt. Hier hilft weiterhin nicht Schadenfreude, sondern nur das stete Bohren dicker Bretter. Je schneller die Reichen merken, dass Sparen an der richtigen Stelle die Lebensqualität mehr hebt als Verschwenden, desto eher geht es aufwärts. Weltweit, und vielleicht auch nach links. REINER METZGER