: Arbeitslose Laubenpieper fürchten um Idyll
Clement-Ministerium behauptet dagegen: Keine Massenverkäufe von Schrebergärten, auch wenn Hartz IV greift
DRESDEN taz ■ Täglich ein Aufschrei um Hartz IV. Den jüngsten hat die Auskunft eines Arbeitsberater aus Magdeburg ausgelöst. Die Datsche, im Westen als Schrebergarten bekannt, ist bedroht. In einer MDR-Fernsehsendung wurde bekannt, auch das Stückchen heile Grünwelt am Rande der Stadt zähle zu den anrechenbaren Vermögenswerten und müsse mithin verkauft werden.
Rühren die Sozis nun auch noch am heiligsten Refugium der Deutschen – zumal in Sachsen, seit Daniel Gottlob Moritz Schreber das Land der Laubenpieperidylle schlechthin? Jeder fünfte deutsche Kleingarten steht hier, aber auch jeder fünfte Inhaber ist ein Langzeitarbeitsloser. Der Vorsitzende des Datschen-Landesverbands, Peter Paschke in Dresden, befürchtet eine Verkaufswelle, wenn auch der Schrebergarten auf dem Fragebogen zum Arbeitslosengeld II angegeben werden muss.
Er möchte die Parzelle aus dem Vermögen ausklammern, zumal ihr Verkaufswert angesichts gesättigter Nachfrage meist fiktiv sein dürfte. Paschke erinnert außerdem daran, dass der Arbeitslose im Garten die notwendigen sozialen Kontakte finde und außerdem etwas fürs Stadtbild tue.
Doch die Erfassung eines Gärtchens oder Wochenendgrundstücks hat mit Hartz IV nichts zu tun. Bundeswirtschaftsministerium und Dresdner Arbeitslosenberatung bestätigen, dass Empfänger von Arbeitslosen- oder Sozialhilfe schon bisher danach gefragt wurden. Durch den Fragebogen zum ALG II ist jetzt erneut Unsicherheit aufgekommen. Der Bundesverband der Kleingärtner mit Sitz in Berlin will eine Regelung festschreiben, auf die er sich mit den Sozialhilfeträgern schon verständigt hatte.
Danach wurde von einem Sozialhilfeempfänger nicht verlangt, sein Gärtchen mit einer Laube von maximal 24 qm zu kündigen. Bundesgeschäftsführerin Theresia Theobald unterscheidet dabei genau zwischen „Kleingarten“ und „Datsche“. Die Heranziehung eines Wochenendhauses als Zweitwohnsitz hält sie für legitim, betont aber, die Datschenbesitzer seien nicht Verbandsklientel.
Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums lehnte generelle Regelungen ab. Er sprach von Einzelfallentscheidungen, die dezentral von den Arbeitsagenturen getroffen würden. Er erinnerte an das Wirtschaftlichkeitskriterium bei Verkaufszwängen nach den neuen Zumutbarkeitsregelungen. Von daher rechne er allein schon wegen der Marktlage keinesfalls mit Massenverkäufen.
Christa Becker von der Dresdner Arbeitslosenberatung glaubt nicht, dass der Wert eines Kleingärtchens jemals die 13.000 Euro maximalen Vermögensfreibetrags übersteigt. Von daher müssten sich die Betroffenen zwischen Barvermögen und dem Idyll im Grünen entscheiden. Sorgen macht ihr in den Beratungsgesprächen viel mehr die Frage, wie ein verarmter ALG-II-Empfänger noch die laufenden Kosten für Pacht, Strom oder Anfahrt bestreiten soll. Die Verwilderung der Kleingärten wäre dann nur Ausdruck der Verwilderung der Sitten im Land.
MICHAEL BARTSCH