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Archiv-Artikel

Wiederbegegnung mit dem Mars

Die Erde kommt ihm so nah wie zuletzt vor 60.000 Jahren. Längst widerlegt: Fantasien über seine ozeanische Urzeit

Die Mitarbeiter von Sternwarten und Ufo-Meldestellen haben derzeit alle Hände voll zu tun. Sie müssen dieser Tage besonders viele Anrufer enttäuschen: Der orangerote Fleck am spätabendlichen Südosthimmel ist kein außerirdisches Raumschiff in der Warteschleife – es ist der Nachbarplanet der Erde, der Mars.

Meist nur als schwacher Punkt am Nachthimmel sichtbar, strahlt der Mars derzeit so hell, weil er der Erde besonders nahe kommt. Genauer: Heute überholt die Erde ihn auf ihrer näher an der Sonne liegenden Bahn. Dabei beträgt der Abstand zum Mars zeitweise nur noch 55,76 Millionen Kilometer. Ein seltenes Schauspiel: Nur die Neandertaler hatten vor 60.000 Jahren Gelegenheit, den Mars aus noch größerer Nähe zu sehen.

Weil der Mars der Erde so nahe ist, sind derzeit schon mit einem kleinen Amateurteleskop Einzelheiten auf dem roten Planeten sichtbar, beispielsweise seine Südpolkappe. Lange Zeit inspirierten solche Details des Mars Forscher und Phantasten gleichermaßen zu großen Spekulationen. Als der englische Astronom William Herschel 1784 auf dem Mars helle und dunkle Regionen ausmachte, wollte er darin Ozeane und Kontinente erkennen und notierte, dass sich die „intelligenten Mars-Bewohner“ vermutlich in einer ähnlichen Situation befänden wie die Menschen auf der Erde. Knapp ein Jahrhundert später sah der italienische Astronom Giovanni Schiaparelli auf dem Mars Streifen und Rillen. Der amerikanische Amateur-Astronom Percival Lowell zeichnete daraufhin seine berühmten Karten der Mars-Kanäle, die er als Bauwerk der Marsianer beschrieb. Lowells Spekulationen inspirierten wiederum den englischen Schriftsteller H.G. Wells zu seinem Roman „Der Krieg der Welten“ (1898). Den nahm der Regisseur Orson Welles 1938 als Vorlage für ein Hörspiel. Als es gesendet wurde, brach Panik unter Tausenden Amerikanern aus. Sie glaubten, im US-Bundesstaat New Jersey habe die Invasion der Marsianer begonnen.

Raumfahrt und Technik haben solche Phantasien zum Schweigen gebracht. Die Sonde Mariner 4 funkte am 14. Juli 1965 während eines Vorbeifluges am Mars Bilder von einer Welt voller Steine und Geröll zur Erde; die Viking-Landegeräte konnten 1976 keine Anzeichen für biologische Aktivität auf dem Mars nachweisen. Aber Forscher hegen immer noch den Traum vom außerirdischen Leben, jedoch etwas abgespeckt. Mehrere Sonden befinden sich im Anflug auf den Mars. Ab Januar 2004 sollen ihre Landegeräte dort nach mikrobiologischen Organismen suchen.

Doch das derzeit gängige Bild vom Mars, welches besagt, dass er zumindest in seiner Frühzeit warm und voller Ozeane gewesen sein soll, beginnt sich zu wandeln. Jüngste Messungen der den Mars umkreisenden US-Sonde Mars Global Surveyor zeigen, dass es auf seiner Oberfläche so gut wie keine Karbonate gibt, mineralische Ablagerungen, die zahlreich vorhanden sein müssten, wenn es auf dem Mars jemals Meere gegeben haben soll.

Der Blick zum hellen, orangeroten Fleck am Nachthimmel dürfte also der Blick auf eine eisige, tote Welt sein, die trockener ist als das trockenste Stück Sahara. Immerhin, so schnell wird sich diese Perspektive nicht mehr bieten: Erst morgen in 284 Jahren wird die Erde noch ein paar zehntausend Kilometer dichter am Mars vorbeiziehen.

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