Nix prima Klima

Der Berliner Ableger der linken Wahlalternative rebelliert offen gegen den Bundesvorstand. Kommt es zu keiner Einigung, will die Regionalgruppe auf eigene Faust einen Landesverband aufbauen

VON FELIX LEE

Ein sichtlich angeschlagener Helge Meves versuchte gestern vor der versammelten Presse zunächst einmal, den Konflikt zu entschärfen. Sicherlich würde der Fokus auf die Bundespolitik die Kommunal- und Landespolitik nicht ausschließen, zeigte sich der Berliner Vertreter im Bundesvorstand des Vereins Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) versöhnlich. Doch als zum wiederholten Male aus der rechten Ecke des Raums zynische Bemerkungen von den mit anwesenden „Berliner Rebellen“ kamen, platzte Meves der Kragen.

45 der insgesamt 224 Berliner Mitglieder der linken Wahlalternative hatten sich am Vorabend zu einem offenen Arbeitsausschuss getroffen, um die Querelen der vergangenen Tage beizulegen. Umstritten zwischen Bundesvorstand und Berlin ist die Frage, ob sich die Aktivisten der Wahlalternative nur auf Bundes- oder auch auf Landesebene engagieren sollen. Es geht vor allem um personelle Überschneidungen mit der Initiative Volksbegehren für ein soziales Berlin, die seit zwei Monaten Unterschriften zur Abwahl des rot-roten Senats sammelt (taz berichtete). Die Berliner Abtrünnigen argwöhnen dahinter die Strategie des Bundesvorstands, sich für die Bundestagswahlen ein Bündnis mit der PDS offen zu halten. Meves wies diese Kritik klar zurück. „Wir wollen eine eigene Partei gerade deshalb gründen, weil aus unserer Sicht keine der etablierten Parteien für unsere Politikziele geeignet ist“, so Meves, der seine PDS-Mitgliedschaft seit 2003 ruhen lässt.

Zu einer wirklichen Klärung war es am Donnerstagabend nicht gekommen. Zwar debattierten die Anwesenden eineinhalb Stunden lang über das Vorgehen des Bundesvorstands, der am letzten Wochenende auf einer Klausurtagung in Fürth über die Köpfe der Berliner Basis hinweg den Berliner IG-BAU-Vorsitzenden Lothar Nätebusch zum kommissarischen Leiter eingesetzt hatte. Als die Mehrheit der Anwesenden einem Antrag zustimmte, in dem das Vorgehen des Bundesvorstands ausdrücklich missbilligt wurde, verließ Nätebusch aus Protest den Raum. Und auch Meves war sauer. Das Treffen sei gar nicht entscheidungsbefugt gewesen. Er habe die Entscheidung der Rebellen „als Anregung zur Kenntnis genommen“, werde die Abstimmung aber nicht anerkennen. Seine Gegner kümmerte das wiederum nur wenig. Sie wählten gleich im Anschluss einen fünfköpfigen Koordinierungskreis, der für die nächsten vier Wochen kommissarisch die konstituierende Sitzung eines Landesverbands ausarbeiten soll.

Nun steht die linke Wahlalternative in Berlin vor der Spaltung. Martin Reeh, einer der Gegner vom Bundesvorstand, kündigte an, man werde einen eigenständigen Landesverband aufbauen. Falls der Bundesvorstand nicht von sich aus bis Mitte September zur konstituierenden Sitzung einlädt, will man einen provisorischen Landesvorstand wählen, der einen entsprechenden Landesverband ins Leben ruft.

Die Chancen für eine Einigung stehen also denkbar schlecht. Denn auch wenn sich Meves vielleicht um Versöhnung bemühen mag – seine Vorstandskollegen aus Bayern zeigen sich unerbittlich. Thomas Händel stellte in einer Mitteilung klar: „Regional- und Länderpolitik ist nicht Gegenstand unserer programmatischen Arbeit.“ Und auch der Bundesvorsitzende der Wahlalternative, Klaus Ernst, zugleich Schweinfurter IG-Metall-Funktionär, hatte vergangene Woche zum Streit in Berlin angemerkt, dass das politische Klima in der Hauptstadt „versaut“ sei. „Der ist ja auch nur Schweinfurter Verhältnisse gewöhnt“, versuchte ein hiesiger Aktivist zu beschwichtigen.