: Edinburgh
Fringe-Festival
Jedes Jahr im August verwandelt sich Edinburgh für drei Wochen in das Mekka von Straßenkünstlern und Theaterleuten. Man stolpert über Scheintote, wird umzirzt von Bauchtänzerinnen. Mit Trommelstöcken drischt ein junger Punk auf eine Mülltonne ein, springt dann herunter, um seine Rhythmusorgie auf dem gegenüber liegenden Baugerüst fortzusetzen. Ein Jongleur versucht, das Trommeln zu übertönen, er jongliert mit Kettensägen, die Ketten hat er vorsichtshalber zuvor herausgenommen.
„Das Besondere am Fringe ist, dass hier jeder auftreten kann“, sagt Martin Reynolds, einer der Fringe-Organisatoren. Große Namen, wie Sir Anthony Hopkins, der in diesem Jahr im Stück „Return Journey“ Regie führt, mischen sich unter blutige Anfänger. Als Bühne muss alles herhalten: Aufzüge, Garagen, Kirchen, Parkbänke, der eigene Pkw, öffentliche Toiletten, der Strand, die Straße. Nicht immer war das möglich. 1957 tauchten –uneingeladen zum offiziellen internationalen Festival – acht Studententheatergruppen in Edinburgh auf. Platz im Stadtzentrum gab es für sie nicht, so traten sie am Rande der Stadt und am Rande des öffentlichen Festivals auf, am fringe. Der Name war geboren. Straßentheater war damals illegal, ständig vertrieben einen Polizisten. Theaterstücke mussten (bis 1968!) dem Lord-Chamberlain-Büro vorgelegt werden. Das entschied, ob die Sprache zu vulgär war, Szenen geändert oder ganz gestrichen werden mussten. Das Fringe entwickelte sich schnell zum Publikumsliebling. Die Zuschauer- und Teilnehmerzahlen schnellten in die Höhe: 1962 waren aus den 8 Gruppen 34, 1981 bereits 494 geworden. Heute ist das Spektakel mit 12.940 Akteuren aus über 40 Ländern und 21.594 Auftritten das größte Kunstfestival weltweit. Karten kosten im Durchschnitt 11 Euro, und viele verdienen am Fringe-Souvenirgeschäft kräftig mit. Allen Kritikern zum Trotz, die behaupten, das Fringe sei zu groß und zu kommerziell, hat es nichts von seiner Spontaneität und Experimentierfreudigkeit eingebüßt. JULIA REICHARDT
Fringe-Festival, 8. bis 30. August, www.edfringe.com