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Archiv-Artikel

Ratsparteien produzieren heiße Luft um Windenergie

Windkraftanlagen in Köln – das wollen im Rat nur die Grünen und die PDS. OB Schramma will dagegen sogar den Städtetag mobilisieren. Die CDU-Zustimmung zur Windanlagen-Zone in Marsdorf sei in Wirklichkeit eine „Verhinderungs- und Verzögerungstaktik“, klagen die Grünen

KÖLN taz ■ Der dreiflügelige Rotor dreht sich regelmäßig und scheinbar lautlos im Wind. Über die grünen Baumwipfel ragt Kölns erste Windkraftanlage 14,5 Meter in den blauen Sommerhimmel. Die Versuchanlage, die bereits seit März 1988 auf dem GEW-Werksgelände in Ehrenfeld steht, wirkt wie ein Idyll der regenerativen Energiegewinnung. Doch der Schein trügt: „Die Ergebnisse zeigen, dass die Windkraft in einem binnenländischen Schwachwindgebiet wie in Köln zur Stromerzeugung nicht geeignet ist“, lautet das für die Befürworter von Windenergie ernüchternde Fazit des Kölner Strom-Unternehmens. Wirtschaftlich könne Strom nur bei Windgeschwindigkeiten von mindestens 4 bis 5 Metern pro Sekunde produziert werden.

Die bisher einzige Kölner Windkraftanlage also ein Beweis für die Unwirtschaftlichkeit von Windenergie in der Domstadt? „Wer aus Windkraft Strom gewinnen will, muss sich zahlreichen Problemen stellen“, konstatiert die GEW auf ihrer Internetseite – und ist dabei ungewollt doppeldeutig. Denn Windkraft findet in Köln nur wenige politische Fans: Neben den Grünen tritt nur noch die PDS geschlossen für Windkraftanlagen ein. „Wir befürworten grundsätzlich Windkraftanlagen in Köln“, erklärt PDS-Ratsmitglied Jörg Detjen.

Einig gegen Windenergie

Die SPD hält zwar grundsätzlich Windenergie für eine vernünftige alternative Energieform, will aber im Stadtgebiet keine Windräder haben. „Die SPD lehnt Windkraftanlagen in eng besiedelten und windarmen Regionen wie Köln ab“, lässt Fraktionsgeschäftsführer Michael Zimmermann keinen Zweifel an der Haltung seiner Partei. Auf den kostbaren Kölner Industrieflächen sollten Arbeitsplätze und keine Windräder entstehen. Dass auch die Windindustrie Arbeit schafft, verschweigen die kölschen Genossen indes geflissentlich. Laut Bundesverband WindEnergie waren zum Ende des Jahres 2003 in Deutschland 45.400 Menschen in der Branche beschäftigt.

Ähnlich wie die Sozialdemokraten geben auch die Kölner Liberalen vor, grundsätzlich die Windkraft zu befürworten. Allerdings: „In der Großstadt lehnen wir sie wegen der dichten Besiedlung ab“, sagt FDP-Fraktionsgeschäftsführer Ulrich Breite. Seine Partei hält auch das Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG), Grundlage für die Förderung von Energiegewinnung durch Windkraft, für falsch. „Wir wollen Wettbewerb und keine Subventionen durch einen Windkraftcent“, so Breite. Der Grünen-Koalitionspartner CDU ist ebenfalls gegen das EEG. Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) sprach sogar von einem „bescheuerten Gesetz“. Er wolle mit dem Städtetag gegen Windanlagen in großen Städten vorgehen, polterte er nach der letzten Ratssitzung vor der Kommunalwahl.

Dabei hatte die CDU zuvor gemeinsam mit den Grünen für eine „Konzentrationszone für Windenergieanlagen“ in Marsdorf gestimmt und die Änderung des Flächennutzungsplans eingeleitet. Die Verwaltung hatte 17 mögliche Flächen für eine solche Zone im Stadtgebiet geprüft und schließlich ein 20 Hektar großes Areal in Marsdorf vorgeschlagen. Das Gelände befindet sich zwischen Toyota Allee, Horbeller Straße, Gleueler Straße und der A 4. Zugelassen werden entweder ein einziges bis zu 200 Meter hohes Windrad oder drei weniger große.

Obwohl sich die Bezirksvertretung Lindenthal gegen diese Lösung ausgesprochen hatte, stimmte der Stadtentwicklungsausschuss gegen die Stimmen von SPD und FDP dafür.

Windkraftanlagen gelten laut Baugesetzbuch als „privilegierte Bauvorhaben“. Die Kommune kann sie zwar nicht verhindern, aber durch die Ausweisung einer „Konzentrationszone“ deren Standort bestimmen. „Indem eine Konzentrationszone ausgewiesen wird, kann der Bau von Windkraftanlagen gesteuert werden“, erklärt Anne Luise Müller, Leiterin des Stadtplanungsamtes. Das Änderungsverfahren schreibt eine Beteiligung der Bürger vor. Anschließend müssen die Ratsgremien erneut entscheiden.

Scheinbar soll mit dem Ratsbeschluss der Wildwuchs von Windanlagen verhindert werden. Aber die Grünen vermuten hinter der Zustimmung der CDU für Marsdorf viel heiße Luft. „Das ist eine Verhinderungs- und Verzögerungstaktik der CDU“, ist Grünen-Ratsmitglied Manfred Waddey überzeugt.

Verprellte Investoren

Die Grünen selbst ermittelten aus den städtischen Daten Roggendorf/Thenhoven als besten Standort für eine Konzentrationszone. Bereits Anfang des Jahres wollte dort ein Essener Anlagenbauer die nach eigenen Angaben weltweit größte Windkraftanlage mit einer Höhe von 180 Metern errichten. Insgesamt sollten 8 Millionen Euro investieren werden. Angesichts der politischen Wetterlage in Köln gab er jedoch sein Vorhaben inzwischen wieder auf.

Derweil meldete sich ein Investor aus Bremen, um im Kölner Norden drei kleinere Windanlagen zu errichten. Sein Antrag liegt jetzt durch den Ratsbeschluss erst mal auf Eis. Offenbar herrscht derzeit kein gutes Klima für die Windenergie in Köln. Die Grünen hoffen auf Rückenwind bei der Kommunalwahl. „Nach der Wahl verhandeln wir neu“, kündigt Waddey an.

Thomas Spolert