: Neue Hoffnung für die Elfenbeinküste
Bei einem Gipfeltreffen in Ghanas Hauptstadt Accra vereinbaren die Konfliktparteien einen neuen Anlauf zur Umsetzung des Friedensprozesses. Andernfalls drohen dem westafrikanischen Staat Sanktionen. Kofi Annan spricht von einer letzten Chance
VON DOMINIC JOHNSON
Die Konfliktparteien der Elfenbeinküste haben sich auf einem Gipfeltreffen in Ghana auf eine Wiederaufnahme des Friedensprozesses geeinigt. Nach zweitägigen Verhandlungen in Ghanas Hauptstadt Accra unter Vorsitz von UN-Generalsekretär Kofi Annan und im Beisein dreizehn afrikanischer Staatschefs einigten sich Präsident Laurent Gbagbo, die Rebellen im Norden der Elfenbeinküste und die zivile Opposition des Landes darauf, die eigentlich schon im Januar 2003 vereinbarten Friedensvereinbarungen endlich umzusetzen.
Damit soll eine neue blutige Bürgerkriegsrunde vermieden werden. Der Gipfel war vorab weithin in Afrika als „letzte Chance“ für den Frieden in der Subregion gewertet worden.
Seit September 2002 kontrollieren diverse Rebellengruppen, die kollektiv unter dem Namen „Forces Nouvelles“ (Neue Kräfte) bekannt sind, die Nordhälfte der Elfenbeinküste, während die Regierung des sozialistischen Präsidenten Laurent Gbagbo auf den Südteil mit dem Regierungssitz Abidjan zurückgeworfen ist. Über 5.000 französische und westafrikanische Friedenstruppen und UN-Blauhelme kontrollieren die Waffenstillstandslinie zwischen beiden Seiten.
Seit dem Auseinanderbrechen einer im Januar 2003 vereinbarten Allparteienregierung im Herbst vergangenen Jahres haben auf beiden Seiten kompromisslose Kräfte an Stärke gewonnen und den politischen Zerfall eines der ökonomisch wichtigsten Länder Westafrikas beschleunigt. Im Südteil des Landes geben nationalistische Milizen, so genannte Patrioten, die die Vertreibung aller angeblich nicht-ivorischen Ethnien aus der Elfenbeinküste predigen und Gbagbo unterstützen, den Ton an. Im Rebellengebiet nehmen bewaffnete Machtkämpfe zwischen rivalisierenden Rebellenführern zu.
Die „Accra III“ genannte neue Vereinbarung, die in der Nacht zu Samstag bekannt gegeben wurde, sieht nun eine Wiederbelebung der zerfallenen Allparteienregierung – also die Wiederaufnahme der Rebellen in das Kabinett in Abidjan – binnen einer Woche vor. Bis Ende August soll dann das ivorische Parlament eine Reihe politischer Reformen verabschieden, die ebenfalls eigentlich schon im Januar 2003 vereinbart worden waren.
Es geht um eine Reihe von Änderungen der Wahl- und Nationalitätengesetze sowie des Landrechts, um die Diskriminierung von Nachkommen westafrikanischer Einwanderer aus der Kolonialzeit zu beenden, ebenso wie den bisher praktizierten Ausschluss von Politikern von Präsidentschaftswahlen auf ethnischer Grundlage. Dies soll 2005 erstmals in der Geschichte freie Präsidentschaftswahlen unter Beteiligung aller politischen Führer des Landes ermöglichen. Dann könnte auch Rebellenführer Alassane Ouattara für das höchste Staatsamt kandidieren.
Im Gegenzug für Gbagbos Selbstverpflichtung, diese Reformen umzusetzen, sichern die Rebellen zu, spätestens am 15. Oktober mit ihrer Entwaffnung und Demobilisierung zu beginnen. Der Demobilisierungsprozess betrifft laut Abkommen auch „alle paramilitärischen Gruppen und Milizen“, also auch die Gbagbo-treuen „Patrioten“ im Regierungsgebiet. Federführend soll hierbei die UN-Mission in der Elfenbeinküste sein. Der Demobilisierungsprozess ist eine Voraussetzung für freie Wahlen nächstes Jahr.
Die Vereinbarung von Accra ist Ergebnis heftigen internationalen Drucks auf Präsident Gbagbo, der sich bisher der Umsetzung mehrerer Friedensabkommen für sein Land widersetzt hat und dessen bewaffnete Anhänger im Laufe des Bürgerkrieges eine parallele Machtstruktur mit Zugriff auf wichtige ökonomische Ressourcen des größten Kakaoexporteurs der Welt errichtet haben. UN-Generalsekretär Annan hat Gbagbo mit gezielten UN-Sanktionen gedroht, sollte er nicht endlich einlenken. Er bezeichnete die Vereinbarung als die letzte Chance für die Konfliktparteien. Der Gipfel von Accra wurde am Rande des Jahresgipfels der Afrikanischen Union in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba Anfang Juli vereinbart.
Während erste Reaktionen ivorischer Politiker auf die Vereinbarung hoffnungsvoll waren, ist der Pessimismus über die Friedensperspektiven der Elfenbeinküste noch nicht verfolgen. Die Umsetzung von Accra III könnte ebenso wie der vorherige Friedensvertrag an den Realitäten scheitern. Die renommierte International Crisis Group weist in einem neuen Bericht zur Elfenbeinküste daraufhin, dass die Führer aller Kriegsparteien ökonomisch vom Andauern der Teilung des Landes profitieren.
Und die nationalistischen Anhänger Gbagbos werden sich den politischen Reformen auch dann noch widersetzen, wenn das ivorische Parlament sie beschließt. Am Rande der Gespräche in Accra kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der ghanaischen Polizei und angereisten ivorischen „Patrioten“, die gegen eine Friedensvereinbarung protestierten und auf das Konferenzgelände vordringen wollten.