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Archiv-Artikel

Vierte Gewalt auf Schmusekurs

Der Krieg und die Medien III: Kriegsgegner kamen kaum zu Wort, dafür aber Exmilitärs, die den „Kameraden“ Glück wünschten. Wie amerikanische Fernsehsender sich während des Irakkriegs zum verlängerten Arm des Pentagons machten

von DIRK ECKERT

Das Bild, das Kritiker vom Umgang des Militärs mit den Medien im Irakkrieg zeichnen, gibt wenig Anlass zur Freude: Unterdrückung kritischer Stimmen, Einschüchterung von Journalisten und sogar Angriffe auf Journalisten, wie der Beschuss des Hotels Palestine in Bagdad, gehören zu den Vorwürfen, die erhoben werden.

Und auch jetzt noch leben Journalisten im Irak gefährlich, wie der Tod des Reuters-Kameramanns Mazen Dana am 17. August zeigte. Er wurde von US-Militärs erschossen, weil diese seine Kamera angeblich für einen Raketenwerfer gehalten hatten.

„Wir leben in einem Klima, wo Journalisten eingeschüchtert werden, wenn sie aus der Reihe tanzen“, bedauert Danny Schechter von MediaChannel.org. „Wenn man bedenkt, wie kurz der Irakkrieg dauerte, dürfte er als der für Journalisten gefährlichste Krieg aller Zeiten in die Geschichte eingehen“, kommentierte der britische Journalist Philip Knightley im britischen Observer. Dabei habe das US-Militär mehr Journalisten getötet als jede andere Kriegspartei. Knightley wirft dem Pentagon auch vor, gezielt gegen den arabischen Sender al-Dschasira vorzugehen. Das US-Militär hatte in Afghanistan wie im Irak die Büros des Senders beschossen. Jetzt würden sich Fernsehsender zweimal überlegen, ob sie Journalisten auf „die andere Seite“ schicken, um von dort zu berichten, befürchtet Knightley. Was dann übrig bleibe, seien „eingebettete“ Journalisten, die in den seltensten Fällen kritisch berichteten.

Dass das Militär nicht an Kritik interessiert ist, ist nicht verwunderlich. Doch wie unkritisch die Medien, die viel gerühmte vierte Gewalt, über den Krieg berichteten und sich damit zum Handlanger der Regierung machten, hat jetzt eine Studie der medienkritischen US-Organisation Fair (Fairness & Accuracy In Reporting) gezeigt.

Fair hat in den ersten drei Wochen des Kriegs Fernsehsendungen wie „ABC World News Tonight“, „CBS Evening News“, „CNN’s Wolf Blitzer Reports“ oder „Fox’s Special Report“ systematisch beobachtet und kann mit Zahlen aufwarten, die das Übergewicht der Kriegsbefürworter dokumentieren, aber auch die Methoden aufzeigen, mit denen Kriegsgegner und ihre Positionen aus den Sendungen herausgehalten oder marginalisiert wurden.

Von den US-Quellen, die mit 76 Prozent sowieso den Hauptteil der Quellen ausmachten, waren 68 Prozent heutige oder frühere Regierungsmitarbeiter. Wobei zwei Drittel Militärs waren. Die Sendeanstalten hätten sich auf deren Informationen gestützt, oder aber auf Pressekonferenzen der Armee und Analysen von Militärs im Ruhestand. Ihre Wirkung war nach Einschätzung von Fair insgesamt günstig für die US-Regierung, da die meisten außer Fach- und Insiderwissen vor allem eins im Sinn hatten: ihren alten Kameraden Erfolg wünschen.

Entsprechend waren 64 Prozent der Experten eindeutig für den Krieg, nur 10 Prozent dagegen. „Die Zuschauer hatten also eine sechsmal höhere Chance, eine Position für den Krieg zu sehen, als eine dagegen. Nimmt man nur die US-Gäste, betrug das Verhältnis sogar 25 zu 1“, so Fair. Und das, obwohl zeitweise 27 Prozent der amerikanischen Bevölkerung gegen den Krieg waren.

Zu den Experten, bei denen keine eindeutige Position ausgemacht werden konnte, zählt Fair auch den ehemaligen US-General und Nato-Oberbefehlshaber Wesley Clark, der bei CNN den Krieg analysierte und offenbar so zurückhaltend war, dass Fair ihn nicht den Kriegsbefürwortern zuordnen wollte.

Für unabhängige Kritiker und Protestbewegungen blieb nur wenig Platz. Dabei seien Äußerungen der Kriegskritiker nie länger als ein Satz gewesen, ausführliche Interviews seien gar nicht vorgekommen. Auch seien die Kriegsgegner nie mit Namen genannt worden. Einzige Ausnahme: Leslie Cagan von „United for Peace and Justice“, der am 27. März auf CNN zu sehen war – natürlich nur einen Satz lang.

Auch die weltweiten Antikriegsproteste gelangten nur in kleinen Dosen ins Fernsehen. Nur 6 Prozent aller Quellen stammten nicht aus den USA, Großbritannien und Irak, diese waren dann immerhin zu 48 Prozent kriegskritisch.

Die britische BBC kommt manchen amerikanischen Medienkritikern schon wie das Paradies vor, auch wenn sie ebenfalls beschuldigt wurde, Stimmen gegen den Krieg herausgefiltert zu haben. Doch US-Kritiker Norman Solomon lobte: Die BBC sei viel mehr an einem breiten Spektrum von Informationen, Ideen und Debatten interessiert. Und Tony Blair werde von der Öffentlichkeit jetzt wegen seiner Aussagen zu Massenvernichtungswaffen im Irak richtig unter Druck gesetzt. „Er hat wirklich großen politischen Ärger – anders als George W. Bush.“