: Kaplan darf bleiben
Kölner Verwaltungsgericht hört nicht auf Schily und untersagt Auslieferung des Islamisten an die Türkei
KÖLN taz ■ Metin Kaplan hat kein Anrecht auf Asyl, darf aber in der Bundesrepublik bleiben. Das entschied gestern das Kölner Verwaltungsgericht, das über zwei Klagen des selbst ernannten „Kalifen von Köln“ zu befinden hatte. Nach Ansicht der Richter würde eine Abschiebung des Islamisten an die Türkei gegen den Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen. Denn in der Türkei drohe Kaplan ein Strafverfahren, das „mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar“ sei.
Kaplans Klage gegen die Aberkennung seiner Asylberechtigung wies das Gericht allerdings zurück. Als Grund nannten die Richter, dass Kaplan wegen einer gravierenden Straftat – er hatte zum Mord an einem Konkurrenten aufgerufen – rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden sei und „die Gefahr besteht, dass er wieder straffällig wird“.
In der Begründung ihres Urteils gegen eine Abschiebung Kaplans folgten die Kölner Richter der Argumentation des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Das OLG hatte bereits Ende Mai eine Auslieferung des Islamisten an die Türkei für unzulässig erklärt. Aufgrund von Unterlagen offizieller türkischer Stellen gebe es unter anderem ernstliche Gründe für die Annahme, dass Kaplan im Falle seiner Auslieferung „einem Verfahren ausgesetzt werde, das dem völkerrechtlich verbindlichen Verbot einer Verwertung polizeilich erpresster Aussagen widerspreche“.
Bundesinnenminister Otto Schily und sein NRW-Kollege Fritz Behrens (beide SPD) hatten sich davon unbeeindruckt gezeigt. Trotzig verkündeten sie, die Ausführungen in der Entscheidung des OLG stünden „einer Ausweisung und Abschiebung nicht entgegen, zumal die Erklärungen der türkischen Regierung in ausreichender Form sicherstellen, dass Kaplan nach seiner Abschiebung in der Türkei keiner rechtsstaatswidrigen Behandlung ausgesetzt werden wird“. Sie irrten.
Die türkische Regierung wirft Kaplan vor, den Befehl erteilt zu haben, 1998 ein sprengstoffbeladenes Flugzeug über dem Mausoleum Atatürks in Ankara zum Absturz zu bringen und am gleichen Tag die Fatih-Moschee in Istanbul zu besetzen, die Fahne des Kalifatstaats zu entrollen und sich gegen Sicherheitskräfte mit Waffengewalt zur Wehr zu setzen. Doch die Zeugenaussagen, auf die sich die türkische Regierung stützt, sind fragwürdig. Bereits Anfang November 2001 hatte Kaplans Anwältin Ingeborg Neumann auf der ersten und einzigen Pressekonferenz des kurz danach verbotenen „Kalifatstaats“ in Köln-Nippes Dokumente vorgelegt, die darauf schließen ließen, dass die entsprechenden Geständnisse von Kaplan-Anhängern durch Folter erpresst worden waren. Die deutschen Behörden jedoch kümmerten sich nicht darum, sondern glaubten, um Kaplan loszuwerden, reiche es, dass die Türkei 2002 die Todesstrafe abschaffte.
Gegen das Kölner Urteil ist eine Berufung beim Oberverwaltungsgericht in Münster möglich. Bundesinnenminister Schily kündigte an, er werde weiter alles dafür tun, dass Kaplan doch noch ausgewiesen werden kann.
PASCAL BEUCKER