: 1000 Jahre Ahoi
Die Segelkameradschaft „Das Wappen von Bremen“ verleiht heute noch den von Nazi-Admiral Raeder 1937 ausgelobten „Goldenen Kompass“
aus Bremen KLAUS WOLSCHNER
Segeln ist ein Sport, bei dem Männer die Konfrontation mit der rauen See genießen können. Mit Politik hat das nichts zu tun. In dieser Überzeugung formulierte Jochen Orgelmann, Rechtsanwalt in Bremen und Vorsitzender der renommierten Segelkameradschaft „Das Wappen von Bremen“ (SKWB) den bemerkenswerten Satz: „Der Regattapreis Goldener Kompass als Preis der Kriegsmarine hat mit Politik nicht das Geringste zu tun.“ Mit „Kriegsmarine“ ist die deutsche Marine der Nazizeit gemeint.
Der Satz war gedacht als Klarstellung in einer Affäre, die die in Hamburg erscheinende Zeitschrift Palstek jüngst veröffentlichte. Auch Palstek ist als Seglerzeitschrift eigentlich weniger an Politik interessiert. Gleichwohl sah sich die Redaktion veranlasst, eine länger zurückliegende Geschichte zu erzählen: Die Segelkameradschaft „Das Wappen von Bremen“ (SKWB) vergibt jedes Jahr einen unter Seglern sehr angesehenen Preis, den „Goldenen Kompass“. Seinen Namen hat der Preis von einem echten goldenen Kompass, den die Preisträger aber nur für einen kurzen Moment in die Hand bekommen.
Die letzte Eintragung auf der Internet-Seite der Segelkameradschaft berichtet ausführlich, warum der Bremer Verein „Navigator Sail Training e.V.“ und sein Geschäftsführer Klaus Tietze zuletzt diesen Preis verdient und bekommen haben. Tietze hatte mit dem Schiff „Vegewind“, das dem Aucoop-Verein (Ausbildungscooperative Bremen) gehört und auch Ende der 80er Jahre auf der Bootswerft der Aucoop gebaut worden ist, an der „Millenium Odyssee 2000“ teilgenommen und 37 Seemeilen erfolgreich zurückgelegt. Die Idee dieser Regatta: Eine in Jerusalem entzündete Flamme sollte von Land zu Land rund um den Globus getragen werden, am Ende sollte die Flamme in Rom dem Papst als Symbol für den Frieden übergeben werden.
Als Tietze damals diesen Preis im historischen Festsaal des Bremer Rathauses nach warmen Worten des Bürgermeisters Henning Scherf entgegennahm, traute er allerdings seinen Augen nicht. „Ich habe das Ding aufgeklappt und entsetzt den Text gesehen“ , erinnert er sich. Bevor er viele Fragen stellen konnte, sei ihm der Kompass aus der Hand genommen worden mit der Begründung, der müsse nun wieder in den Tresor. Da habe Tietze spontan erklärt, dass er einen solchen Preis auch nicht haben wollte für seinen Navigator-Sail-Verein.
Auf dem Innendeckel ist nämlich die Reichskriegsflagge eingraviert, darunter steht: „Der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine Raeder – gestiftet für die Seewettfahrt Helgoland 1937“.
Das reichte Tietze schon, obwohl er von einem „Oberbefehlshaber der Kriegsmarine Raeder“ damals nichts wusste. Erich Raeder, ab 1928 Chef der Marineleitung, hat noch während der Weimarer Republik die Seestreitkräfte über die im Versailler Vertrag festgelegte Grenze hinausgehend aufgerüstet. In der Nazizeit war er ein Verfechter des Seekrieges gegen England. Helgoland war für die damalige Marine ein kriegsstrategisch wichtiger Brückenkopf, nicht ohne Grund hatte der Versailler Vertrag festgelegt, dass alle „Befestigungen, militärischen Anlagen und Häfen der Insel Helgoland und der Düne unter Aufsicht der Regierungen der alliierten Hauptmächte ... zerstört“ werden sollten.
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten begann die Wiederaufrüstung. Die von dem Oberkommandierenden der Kriegsmarine mit dem „Goldenen Kompass“ belohnte „Seewettfahrt Helgoland“ im Jahre 1937 war also ein eindeutiger symbolischer Akt.
Erich Raeder wurde später als Kriegsverbrecher zu „Lebenslänglich“ verurteilt. Noch in seinen 1956/57 erschienenen Erinnerungen „Mein Leben“ zeichnete er ein verherrlichendes Bild der Person Adolf Hitlers.
Nachdem in der Seglerzeitschrift Palstek ein kritischer Bericht über diesen Preis erschienen war, formulierte Rechtsanwalt Orgelmann eine denkwürdige „Gegendarstellung“. Das Foto, das die Zeitschrift abgedruckt hatte, zeige Hitler beim Empfang von Teilnehmern der Atlantikregatta in der Reichskanzlei 1936 – „nicht nur SKWB-Mitglieder“, stellt Orgelmann richtig. Orgelmanns Rechtfertigung gipfelt in dem Satz: „Es kommt doch bei Preisen einzig und allein darauf an, wofür sie gegeben werden und nicht darauf, wer den Preis einmal hat herstellen lassen.“