Viel Lärm ums Nichts

Am Sonntag startet im Neue Museum Weserburg die Sonderausstellung „Das Nichts“

Revolutionär, dieses Design: Ein Gesicht hebt sich aus dem billigen Blech hervor und lächelt. Das Gesicht trägt einen „CCCP“-Kosmonautenhelm und einen Kaiser-Wilhelm-Schnauzbart. Ausgeformt ist es aus dem Bauch eines Flachmanns, ein klassischer Flachmann, klein, praktisch, funktional. Mag sein, dass die Amerikaner den Wettlauf zum Mond gewonnen haben – beim Weltraummarketing hatten die Russen die Nase vorn. So ein Flachmann erdet die unendlichen Weiten ungemein.

Dabei soll es eigentlich um das „Unbegreifliche des Unendlichen“ gehen bei dieser Ausstellung mit dem wuchtigen Titel „Das Nichts“. Ab Sonntag zeigt das Neue Museum Weserburg Arbeiten von James Lee Byars, Bogomir Ecker, Kristján Gudmundsson, Ingo Günther, Panamarenko und Michelangelo Pistoletto. Womit alle Künstler genannt sind: „Das Nichts“ ist eine sehr überschaubare Sonderausstellung, ein Inlandsflug eher als eine Mission ins All.

Anlass der Ausstellung ist der 54. Jahreskongress der International Astronautical Federation, der Ende September in Bremen stattfinden wird. „Das Nichts“ ist dabei ein Modul der Veranstaltungsreihe „Planet Bremen“, mit der die Bremen Marketing GmbH (BMG) Bremen als Stadt der Raumfahrtindustrie bewirbt. Also hat man sich in der Weserburg auf die Suche gemacht nach „Kunst, die sich mit Raumfahrt auseinandersetzt“, so Kuratorin Dorothee Wimmer.

Und gefunden hat man beispielsweise Bogomir Eckers Installation „Transportkisten (Unterscheidungsmöglichkeit)“. Elf rote Kisten stehen da aufeinander, aus einer kommt ein rundes Glasgefäß mit einer Art Pflaumenmännchen darin, wobei sich per Ausstellungkatalog eruieren lässt: die Pflaumen sind kleine Meteroiten-Teilchen. Damit wäre die Verbindung zum All hergestellt und natürlich haben auch leere Kisten etwas mit Raum zu tun. Aber eine Verbindung zum Unbegreiflichen, zum Unendlichen, zum „Nichts“? Lässt sich nur mit gutem Willen herstellen.

Sehr konkret nähert sich dem „Nichts“ Kristján Gudmundssons in seinen Büchern namens „Once around the Sun“: Gudmundsson hat errechnet, dass die Erde 31.556.926 Sekunden braucht, um die Sonne zu umrunden und dass die Erde in jeder dieser Sekunden 29.771 Meter zurücklegt. Diese Größen stellt der Künstler in zwei Büchern dar: Im ersten Buch findet sich auf über 700 Seiten pro Sekunde ein Punkt, im zweiten Buch sind die Seiten voll mit Linien, die zusammen die Strecke 29.771 Meter ergeben. Das macht die Dimensionen anschaulich – und ist so ziemlich das Gegenteil eines ungreifbaren, beängstigenden „Nichts“.

Wie dieses künstlerisch thematisiert werden könnte, zeigt allenfalls Michelangelo Pistolettos „Metrocubo d‘Infinito“: Sechs nach innen gewandte Spiegel beschreiben einen Kubus, der wie ein Monolith im Raum steht. Das Innere des Kubus ist nicht einsehbar, man muss es sich vorstellen, und genau das sprengt die Vorstellungskraft – ein Kubus, der schwindelig macht.

Und der Kosmonauten-Flachmann? Steht in einer Vitrine, in der Ingo Günther „Space Junk“ versammelt hat, vom Playmobil-Männchen bis zur Briefmarke. Das hat dann Unterhaltungswert, und der ist von vornherein: nicht Nichts. Klaus Irler

vom 31. August bis zum 19. Oktober