Doppelter Sieger im Hamburger Kulturkampf

Ulrich Khuon, Intendant des Thalia Theaters in Hamburg, hat einen neuen Trumpf: Auszeichnung als Theater des Jahres

Er hätte auch Pfarrer werden können. Einer, der all jene bekehrt, die Zweifel hegen – sei es am Nutzen der Kultur, sei es an der Notwendigkeit sensiblen Umgangs mit Minderheiten. Dass der studierte Jurist, Germanist und Theologe Ulrich Khuon dann doch Intendant wurde, ist seiner Liebe zum Theater zu danken. Und dass ihm die Leitung des Hamburger Thalia Theaters gute Chancen bietet, seine rhetorischen Fähigkeiten zu trainieren, unterliegt spätestens seit dem Amtsantritt von Kultursenatorin Dana Horáková keinem Zweifel. Zeitgleich mit dem Schauspielhaus-Intendanten Tom Stromberg hat Khuon 2000 in Hamburg angefangen und das vermeintlich konservativere Haus übernommen. Jetzt ist das Thalia in einer Kritikerumfrage von Theater heute zum Theater des Jahres gekürt worden.

Denn der Schein trog: Nicht nur, dass Hamburg in Khuon einen Streiter für Toleranz und differenzierte Weltsicht gewann – auch im Thalia gelang ihm, wie schon zuvor in Hannover, schnell der Spagat zwischen konservativer Kost für die hanseatische Hautevolée und junger Szene. Denn Khuon hat nicht nur die Autorentheatertage aus Hannover mitgebracht: Er bewies bei der Vergabe von Auftragsstücken an Autoren wie Moritz Rinke ein Gespür für Begabungen und Mut. Gemeinsam mit Oberspielleiter Andreas Kriegenburg initiierte er zudem eine Reihe kurzfristiger Inszenierungen von Stücken der jungen Dea Loher. „Ein Künstler muss sich entwickeln können, ohne schnell verheizt zu werden“, findet der Thalia-Chef.

Doch trotz seiner verbindlichen Art nimmt Khuon kein Blatt vor den Mund: Schon vor Amtsantritt des rechtskonservativen Hamburger Senats unterschrieb er einen Aufruf zum Boykott der rechtspopulistischen Schill-Fraktion. Und obwohl er die jetzt amtierende Kultursenatorin und Ex-Bild-Journalistin Dana Horáková nie direkt angreift, verhehlt er nicht, dass er das Niveau ihrer Politik nicht schätzt. Besonders erbost ihn die Verweigerung einer Grundsatzdebatte über die Struktur der Theaterlandschaft; dass die Kultursenatorin populistische Events dem gehobenen Diskurs vorzieht, ist inzwischen bundesweit bekannt. „Angesichts der Tatsache, dass nur 0,2 Prozent des Bundeshaushalts für Kultur ausgegeben werden, ist es absurd, zu glauben, Theaterschließungen könnten die Haushalte sanieren“, wettert Khuon. „Das ist eine völlig übersteigerte Heilserwartung!“

Auch der lapidare Ton, in dem Kulturpolitiker über Einsparpotenziale der Theater reden, stört ihn: „Wenn wir nicht ständig intern reformiert hätten, wäre das Thalia längst dicht“, sagt der Intendant, der immer wieder ketzerisch fragte, „ob es ein Naturgesetz ist, dass das Schauspielhaus 6 Millionen Mark mehr an Zuwendungen bekommt als das Thalia“. Nein, wegnehmen wolle er dem Kollegen Stromberg natürlich nichts, beschwichtigte er stets. Doch seine Forderung blieb. Und hier muss Dana Horáková ausnahmsweise auf ihre Berater gehört haben, sicherte sie Khuon doch jüngst eine Zuwendungserhöhung von 250.000 Euro sowie die Vertragsverlängerung bis 2010 zu. Eine Gunst, die Horáková nur einem der drei noch von Amtsvorgängerin Christina Weiss eingesetzten Intendanten erwies: Weder Opernintendant Laurens Langevoort noch Tom Stromberg dürfen bleiben. PETRA SCHELLEN