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Archiv-Artikel

Die Kunst des Überweisens

Wenn zum Monatsanfang kein Geld auf dem Konto landet, macht es vielleicht irgendwo im Netz eine Pause. Denn es hat einen beschwerlichen Weg. Der verschleiert auch, wer Fehler zu verantworten hat

Bremen taz ■ „Ich hatt’ ja nix auf dem Konto“, sagt der Uni-Mitarbeiter, „gar nix.“ Dabei hätte etwas da sein müssen am Freitag. Das Gehalt zum Beispiel. Aber das ließ auf sich warten, als wäre die Uni ein kriselndes Unternehmen. „Und dann“, erzählt er weiter, „kam auch noch das Wochenende.“ Also sei er zur Bank gelaufen, um einen Vorschuss auf das Gehalt zu bekommen, das hätte da sein müssen, aber eben nicht da war.

Doch Überbrückungsgeld zahlen die Banken grundsätzlich nicht. Die Kreditinstitute bescheinigen nur, dass eine Auszahlung derzeit nicht möglich ist. Mit der kann man dann zum Sozialamt gehen. „Da gab’s aber auch kein Geld.“ Nur die Bescheinigung einer Notlage. Die verschafft dem Inhaber Zugang zum Essen bei der Bremer Tafel.

Wie viele Überweisungen von der Panne betroffen waren ist Bankgeheimnis. Ebenso wie die Summe, die nicht pünktlich zum 30. Juli auf die Empfängerkonten verteilt wurde. Man darf sie im mehrstelligen Millionenbereich ansiedeln: Der „technische Defekt“, der die Überweisungen der Bremer Landesbank zu diesem Datum gestoppt hat, hat etliche Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes getroffen. Jene zum Beispiel, die ihr Konto bei der Post haben. Oder bei der Citibank. Oder auch beim Ritterschaftlichen Kreditinstitut Stade. Völlig wahllos, ein technischer Defekt.

Mittlerweile sind die Beträge gutgeschrieben. Wo das Geld allerdings zwischen dem 30. Juli und 2. August pausiert hat, ist noch unerforscht. „Es hatte das System der Bremer Landesbank bereits verlassen“, weiß deren Sprecher Wolfram Brodtmann. Welcher Fehler passiert ist und in wessen Verantwortung er fällt, habe man noch nicht geklärt. „Es handelt sich um einen EDV-Defekt. Den findet man nur durch minutiöses Auswerten der Protokolle.“ Von der Landesbank aus wandern die Überweisungen in die Leitungen der Finanz-IT Hannover. Über dieses Rechenzentrum lässt der gesamte Sparkassenverband den Giroverkehr abwickeln. Von dort steuern die Datensätze den Bundesbank-Server an. Der wiederum verteilt sie auf die einzelnen Kreditinstitute.

Ein beschwerlicher Weg schützt das Geld vor neugierigen Fragen: Die Finanz-IT Hannover ist telefonisch gar nicht zu erreichen. Und bei der Bundesbank werden keine Auskünfte über die Dienstleistungen für andere Banken erteilt. „Am 29. Juli“, informiert IT-Verantwortlicher Siegfried von der Au schließlich, „hat es eine Störung an unserem Zugangsportal gegeben.“ Unklar aber, ob sie die Bremer Panne verursacht hat: Das könnte er nur sagen, wenn er „das genutzte Zahlungverkehrssystem“ kennen würde. Das kann aber selbst der Sprecher der Bremer Landesbank nicht benennen: „Davon habe ich keine Ahnung“, gibt Brodtmann zu.

Hoffnung auf Schadensersatz dürfen sich die Betroffenen kaum machen: „Ein Verschulden nachzuweisen würde ausgesprochen schwierig“, so der Bremer Wirtschafts-Anwalt Frank Casper. Auch lasse sich nur schwerlich beziffern, welcher Schaden entstanden sei. Selbst wenn Mietzahlungen nicht pünktlich beim Vermieter einträfen, so der Jurist, „gibt es ja keine Sanktionen, die direkt anknüpfen“.

Benno Schirrmeister