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Archiv-Artikel

Die Kübelaktion begrünt Kreuzberg

Vor drei Jahren wollte eine Arbeitslose Blumenkübel in die Stadt stellen. Umsonst wollte die niemand haben. So machte sie ihre Idee zum Geschäft

VON KATHLEEN NEWILL

Sie liebt Pflanzen und sie hat einen grünen Daumen. Und sie hat den Mut, beides für eine ungewöhnliche Geschäftsidee zu nutzen: Mit Kübeln voller Gewächs erobert Sabine Zelle zurzeit die Stadt. Alte verschnörkelte Wannen und blaue Ölfässer füllt die 46-Jährige mit Erde, mischt Nutz- und Zierpflanzen, Bäume und Blumen, Obst und Gemüse darin. Krokusse, Narzissen und Tulpen gedeihen neben Wildpflanzen wie Königskerze und Löwenzahn. Auch ein kleiner Apfelbaum kann in dem Behälter wachsen genauso wie Johannisbeeren, Gurken oder Tomaten.

Auf die Idee kam Sabine Zelle, weil sie am liebsten im Garten sitzt. In Mariendorf, in einem Öko-Schreber-Garten, wo alles wild wächst und wo es keine Zäune gibt. Eines Tages fiel ihr Blick auf eine Zinkwanne, die vom Wetter arg gezeichnet war. Zelle stopfte Erde und ein paar Samen hinein – ein prächtig blühender Kleingarten entstand. Da beschloss die Arbeitslose, mit dieser Idee ein Unternehmen zu gründen.

Das Konzept scheint aufzugehen. Zahlreiche Läden und Kneipen in Berlin haben mittlerweile die Behälter gekauft und vor ihre Pforten gestellt. Sie sehen schön aus und sie locken Kundschaft an. Über 60 Kunden hat Zelle heute und zwei Mitarbeiter.

Auch ein freundlicher Hausbesitzer ist begeistert von dem ungewöhnlichen Engagement – er gestattet Sabine Zelle, ihren „Showroom“ auf seinem Grundstück zu präsentieren. Pflanzenkübel aller Art zieren nun den Vorhof des Hauses am Kreuzberger Oranienplatz, Kunden aus ganz Berlin kommen hier hin, um sich ihre Wanne auszusuchen.

Dass es einmal so weit kommen würde, hätte die ehemalige Bürokauffrau nie gedacht. Vor drei Jahren schleppte sie ihren ersten Kübel von Tür zu Tür, wollte ihn – umsonst – vor einen Laden stellen, zur Probe. Skeptisch wurde Sabine Zelle abgewiesen, gratis wollte niemand etwas haben. Jetzt sind die Behälter teuer, aber die Unikate verkaufen sich gut.

Die meisten ihrer Wannen stehen in Kreuzberg. Das Bezirksamt gab der „Interessengemeinschaft Kreuzberg“ Geld für die Begrünung des Viertels, die wiederum beauftragte Sabine Zelle mit der Verschönerung der Oranienstraße – zur Freude des Bezirksamtes. Denn wo vorher „Anarchie ist machbar“ auf der Häuserwand stand, prangen nun die prächtigen Pflanzen. Und wo die Wannen stehen, tritt weniger Vandalismus auf.

Dafür wächst Zelle nun buchstäblich die Arbeit über den Kopf. Zurzeit wünscht sich die Unternehmerin jemand, der ihr hilft, den Überblick zu behalten, einen Geschäftsführer oder Manager. Denn dass jeder verkaufte Kübel auch betreut werden will, damit hat sie nicht so richtig gerechnet.

Noch lieber als einzelne Pflanzenfässer gestaltet Sabine Zelle ganze Hinterhöfe. Beton begrünen, einen Garten schaffen, mitten in der Stadt, das ist für sie die größte Herausforderung. Sie stellt auch einen Gießplan auf, damit das, was sie schafft, nicht sofort wieder vor die Hunde geht. Das bringt die Mieter zusammen, die sich dann über ökologische Ungezieferbekämpfung und Kräuterzucht unterhalten. Die Welt wird durch Zelles Kübel menschlicher.

Und im Winter verkauft Sabine Zelle geschmückte Weihnachtsbäume.

Sabine Zelles Pflanzenkübel können unter www.artdoor.de oder telefonisch unter (01 78) 530 23 47 bezogen werden. Sie kosten zwischen 80 und 250 Euro. Ihr Kübel-Pflegeservice kann für ca. 20 Euro im Monat (je nach Größe des Behälters) in Anspruch genommen werden. Der „Showroom“ befindet sich am Oranienplatz, vor dem Haus Leuschnerdamm 43