Keine Hamster an der Y-Trasse

Krach bei den Vorarbeiten für eines der größten Infrastrukturprojekte des Nordens. Jetzt hoffen die Anwohner, dass der Bundestag die geplante Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Hannover, Bremen und Hamburg doch noch stoppt

aus HannoverKai Schöneberg

Bauer Lackmann stand mal wieder der Schaum vorm Mund: Da waren diese Leute von der Bahn doch tatsächlich ohne Fragen auf sein Grundstück gegangen, hatten hier wie anderswo die Maisfelder zerstört, Schranken abgerissen, Äcker zertrampelt. „Da dachte ich, wir sind jetzt schon enteignet“, meint Heinrich Lackmann vom Königshof bei Visselhövede.

Es war klar, dass es Stress um die Y-Trasse, eines der größten Infrastrukturprojekte Norddeutschlands, geben würde. Aber dass gleich die Vorarbeiten für die geplante Bahnstrecke zwischen Hannover, Hamburg und Bremen so viel Unmut erregen, hat die Leute im Wümmetal und der Heide dann doch sehr verbittert. Natürlich hat die Bahn bereits zugesagt, die Schäden ihrer Vermesser und Bohrtrupps auszugleichen. Aber natürlich hält sie auch daran fest, die Strecke ab 2010 zu bauen. Noch lang hin, könnte man meinen. Aber: Im Herbst soll das Y wie ein 300 Stundenkilometer schneller ICE durch den Bundestag rauschen – oder auch nicht.

Die Bahn will mit der Y-förmigen Hochgeschwindigkeitstrasse die Verkehrswege zwischen den drei Nord-Metropolen entzerren und beschleunigen. Bislang zuckeln die Züge noch auf den alten Gleisen durch Städtchen wie Celle, Uelzen, Nienburg oder Wunstorf. Zukünftig würde der Stamm des Ypsilon nördlich von Hannover bei Langenhagen beginnen, um sich dann entlang von A 7 und A 27 gen Norden zu schlängeln. Östlich von Visselhövede würde sich das Ypsilon gabeln: nach Westen Richtung Bremen und nach Norden Richtung Hamburg. Für „verkehrspolitisch unsinnig und völlig undiskutabel“ hält der Verkehrsclub Deutschland (VCD) das 1,3 Milliarden Euro schwere Projekt. „Das ist zu teuer für jeweils gut 10 Minuten Fahrzeitgewinn auf den Strecken Hamburg-Hannover und Bremen-Hannover“, sagt VCD-Mann Michael Frömming.

„Das ist eine Entscheidung gegen die Natur“, meint Bauer Lackmann, dessen Gut mittenmang von Bahnrampen zerschnitten zu werden droht. Viele seiner Kollegen bieten Ferien auf dem Bauernhof an. „Das Heide-Idyll kann man dann wohl vergessen“, meint der Landwirt. „Wir wollen hier nicht irgendwelche Hamster retten“, sagt Ute Müller von „Bürger für Umwelt“ (BfU), einer der drei Initiativen gegen die Trasse. Seitdem das Y vor etwa zehn Jahren publik wurde, laufen die Leute in den Landkreisen Soltau-Fallingbostel und Rotenburg Sturm. Es gab über 20.000 Einsprüche bei der Bezirksregierung, Demonstrationen, Lichterketten, Mahnfeuer und umgepflügtes Ackerland, das in der Luftaufnahme wie das Logo der BfU aussah: Ein dickes „NeYn“. Mit „bis zu 14 Metern hohen Dämmen“, befürchtet Müller, wolle die Bahn das Gelände zerschneiden. Die Wedemark, die Dörfer um Schwarmstedt, Kirchlinteln rauf bis Scheeßel seien betroffen, genau wie das Lehrde-Tal. „Das ist während des Raumordnungsverfahrens als FFH-Gebiet angemeldet worden – das ist doch alles ein Treppenwitz der Geschichte!“, meint Ute Müller.

Vielleicht aber könnte das Projekt doch noch stolpern. Zwar sind die Landesregierungen in Bremen und Niedersachsen dafür, Hamburg hoffte bis zuletzt, dass das Y seiner Olympiabewerbung den entscheidenden Push geben würde. Doch derzeit liegt es in Berlin. Im Frühjahr winkte das Kabinett die Trasse durch. Demnächst aber muss der Bundestag über die vorrangigen Projekte im Bundesverkehrswegeplan entscheiden. Der ist völlig unterfinanziert. Müller verweist auf die Ebbe in der Kasse und frohlockt: „Da sehe ich doch noch eine klitzekleine Chance.“