: 105 Euro für die Halloween-Party
Kita-Betreuung wird für Eltern immer teurer. FamilienPower spricht von „Kita-Lüge“. Verwaltungsgericht fällt frauenfeindliche Entscheidung
Matthias Taube vom Verein FamilienPower hat Senator Rudolf Lange (FDP) der „Kita-Lüge“ bezichtigt, weil dieser stadtweit plakatiert, es gebe mit annährend 50.000 Plätzen „so viel Kita-Förderung wie noch nie!“. Taube: „Wahr ist, dass es seit 1997 noch nie so wenig geförderte Kita-Plätze gegeben hat wie heute.“ Dies belegten die Zahlen des statistischen Landesamtes. Auch im neusten Jahresbericht der städtischen „Vereinigung“ ist von zuletzt 55.650 Plätzen die Rede.
Taube zog gestern eine Bilanz nach vier Wochen Kita-Systenwechsel und kommt zu dem Fazit, dass der ganze Spaß für Eltern noch viel teurer geworden ist. Die städtische Einnahmen durch Kita-Gebühren würden vielleicht wie angekündigt um 10 Prozent sinken, weil das Kindergeld bei dessen Berechnung nicht mehr zählt. Im Gegenzug bekämen die Eltern jedoch weniger Leistung und müssten für Extras zusätzliche Stundenpakete kaufen.
„Ich bin stocksauer“, schrieb beispielsweise eine Mutter an FamilenPower, die zwei Kinder in einer Vereinigungs-Kita hat und diese bis 16 Uhr betreuen lässt. Erzieher Bernd habe ihr eröffnet, dass die Kinder nicht mehr mit auf die Ausflüge könnten, die bis 17 Uhr dauern. Damit Tochter Jenny nun doch mitkann und Sohn Angelino nicht auf die Halloween-Party verzichten muss, soll sie für jedes Kind eine Stunde dazukaufen. Die gibt es aber nur im „Paket“ á 15 Stunden für je 105 Euro.
Extrem teuer ohnehin, so Taube, wird die Kita für die Eltern, die bekanntlich gar keinen Gutschein bekamen. So muss eine Verlagsassistentin, deren Erziehungszeit ausläuft, 604 Euro für einen 4-Stunden-Platz bezahlen, wenn sie den freigehaltenen Job nicht verlieren möchte.
Der Fall wird demnächst das Verwaltungsgericht (VG) beschäftigen, vertreten durch Anwalt Matthias Lübbert. Der Jurist sieht hier einen Verstoß gegen das Bundesgesetz, das die Erziehungszeit regelt. „Bundesgesetz bricht Landesgesetz“, ist seine Auffassung. Wenn nicht, könnte die gesamte Erziehungszeitregelung auf den Müll.
Doch in einem ersten, leicht anders gelagerten Fall hat das Verwaltungsgericht bereits eine harte Entscheidung gefällt. Hagen und Silke Liebberger haben zwei kleine Kinder und sind beide ohne Job. Weil das Arbeitslosengeld nicht reichte, wollte er sich als Grafiker und sie sich als Hebamme selbständig machen. Beschluss des VG: beiden Eltern sei sehr wohl zuzumuten, von Stütze und Kindergeld zu leben.
Zwar gibt es zwischen Arbeitsamt und Bildungsbehörde eine Sondervereinbarung, die Arbeitslosen bei Arbeitsantritt den Gutschein garantiert. Doch Selbständigkeit zählt für die Richter nicht als Job. Besonders frauenfeindlich: selbst wenn Herr Liebberger demnächst in die Sozialhilfe abrutscht, bekäme die Familie laut Richterspruch keinen Platz. Die Frau wäre ja immer Hause. Die Liebbergers wollen in Berufung gehen. KAIJA KUTTER