: Fit für‘n lieben Gott
Von der fundamentalistischen Mickymaus bis zum eifernden Tom Cruise: Die Ausstellung „Medium Religion“ erforscht die Medialität des Sakralen
VON HENRIKE THOMSEN
Farfour ist der Zwilling von Mickymaus, aber in diesen Tagen feiert niemand seinen 80. Geburtstag. Das liegt daran, dass ihn kaum einer kennt, nur die arabischen Kinder, die seine Sendung „Tomorrow’s Pioneers“ auf Al Aksa TV sehen – und dass er nicht allzu nett und lustig ist. Farfour ist eine Mischung aus Lehrer und Einflüsterer, er hetzt militant gegen alles Amerikanische und Jüdische. Er ist ein Mann im dunklen Anzug, der einen schlecht sitzenden Mäusekopf über den eigenen gestreift hat.
Farfours Auftritt in der Film-Installation „Tomorrow’s Pioneers“ von Christoph Büchel im Museum für Neue Kunst des Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) verdirbt die Laune des Betrachters. Und was er in einer Ausstellung namens „Medium Religion“ zu suchen hat, erschließt sich auch nicht. Irgendwie assoziiert die neue Ausstellung von ZKM-Chef Peter Weibel und Boris Groys alles – von Medienikonen als Religionsersatz und politischer Gewalt im Nahen Osten bis zu einem Phänomen namens „Gospel Aerobics“. Dahinter verbirgt sich der Fitness-Trainer Paul Eugene, der mit christlichen Fitnessvideos in den USA großen Erfolg hat.
„Medium Religion“ scheint vor allem angetreten, sich über seinen Gegenstand lustig zu machen. Am Eingang steht ein Gebetomat, der gegen Geld heilige Versformeln aus den verschiedensten Traditionen ausspuckt. Angelehnt an Reklame von McDonald’s und Coca-Cola lässt Alexander Kosolapov Jesus verkünden: „Dies ist mein Leib. Dies ist mein Blut“. Michael Schuster hat für „Golgatha“ Spraydosen der Firma Patex auf Holzkreuze montiert, darunter der Slogan „No more nails“.
Im Katalogtext beruft sich Boris Groys, der die Ausstellung zusammen mit Peter Weibel kuratiert hat, auf eine Verwandtschaft von Religion und Medien. Die übliche Vorstellung, dass ihre Bereiche des Heiligen und des Profanen einen Gegensatz bilden, kassiert er mit dem Argument, Religion sei der Ort, in dem der Mensch auf seine eigene Medialität zurückgeworfen werde – auf seine Leere, seine Rituale, sein Verlangen nach Wiederholung. Dann aber spricht Groys der Religion ausdrücklich „einen anderen Raum“ zu, einen Raum des Sakralen. Hierzu sollten die Medien und ihr „Meinungsmarkt“ keinen Zugang haben. In verschwörerischem Tonfall wirbt Groys sogar dafür, ihn notfalls gewaltsam zu verteidigen: „Es muss ein Stück Territorium vom globalen Meinungsmarkt abgetrennt werden.“
Worum es in „Medium Religion“ also wohl gehen soll, ist einerseits der Nachweis, dass Religion entgegen landläufigen Vermutungen äußerst medientauglich ist, und andererseits, dass sie sich darin trotz allem nicht erschöpft. Für Letzteres wurden einige Arbeiten über den Tod ausgewählt, zentral Christoph Schlingensiefs Installation „Der König wohnt in mir“. Von Ironie fehlt plötzlich jede Spur, wenn man sie betritt und auf Schlingensiefs Stimme hört, die von seiner Angst vor dem Lungenkrebs berichtet. Bilder des Regisseurs und Künstlers kommen dazu, wie er in Nepal auf ergebene Alte und Kranken trifft, dann Bilder von Schächtungen und der Verbrennung eines Leichnams. Eine Vitrine erinnert an den 1973 gestorbenen Künstler Günter Saree, der seinen nahenden Tod offen thematisierte. Als letzte Arbeit trug Saree stets ein Leichentuch und einen Zettel bei sich: Man möge nichts tun, wenn man ihn finde, stand auf dem Zettel zu lesen, aber man möge seine Freunde informieren. Es folgten drei Rufnummern zur Auswahl.
Dass der letzte Wunsch eines Sterbenden ein Anruf bei Menschen und keine Anrufung eines Gottes ist, passt in das Konzept dieser Ausstellung, in der das Metaphysische konsequent vermieden und erniedrigt wird. In „bios (bible)“ schreibt ein im ZKM entwickelter Roboter Bibeltexte in schönster Kalligrafie, als handle es sich um einen alten Meister der Schrift. Für die drei mosaischen Religionen, die höchsten Wert auf die Eingebung Gottes für ihre Texte legen, stellt dies aber eine der subtileren Beleidigungen im Rahmen der Ausstellung dar. Die politisch anstößigste Arbeit stammt erneut von Christoph Büchel: Er hat riesige Stapel arabischer Ausgaben von „Mein Kampf“ zusammengetragen, damit auf die Sympathien des antijüdischen Nationalismus im Nahen Osten für Hitler anspielend. Aber Deutschland ist wohl kaum der passende Ort, darüber zu richten.
Lohnend ist die Selbstinszenierung der israelischen Künstlerin Oreet Ashery als orthodoxer Jude und als Palästinenser, interessant auch einige Videos, die die Schnittstellen von Religion und Medien belegen. So ist die umstrittene „Clean up“-Rede von Tom Cruise auf einem Scientologen-Kongress gegenüber von Bin Laden bei einer Höhlenansprache zu sehen. Man erkennt die Verwandtschaft: In beiden Fällen sollen Menschen auf ein mit Glauben verbrämtes Ziel eingeschworen werden, mit Hilfe eines Medienstars und moderner Technologien zu nutzen. Doch das Fazit bleibt: Für die Feier seines 20-jährigen Bestehens hätte man den hoch verdienten Herren Weibel und Groys und dem geschätzten ZKM eine stärkere Ausstellung gewünscht.
Bis 19. April, Museum für Neue Kunst im ZKM, Karlsruhe