: Doppelter Blick über den Tellerrand
Das Schulpraktikum in einem Malerbetrieb war Hakan K. „zu anstrengend“. In einer berufsvorbereitenden Maßnahme hat er im Lokal eines Stadtteilzentrums gearbeitet. Der Lehrgang läuft aus, doch an dem Beruf hat er Gefallen gefunden
Früher wollte Hakan K. Maler und Lackierer werden. Doch seit der 17-Jährige bei einem Schulpraktikum in einer Malerklitsche gearbeitet hat, steht für ihn fest: „Das ist mir zu anstrengend.“ Eine Arbeit in der Gastronomie würde ihm besser gefallen. „Am liebsten in so einem Laden wie dem hier“, sagt der gebürtige Türke und lässt seine Augen durch das Lokal „brenn Bar“ im Kreuzberger Stadtteilzentrum Alte Feuerwache kreisen. „Hier hat es mir großen Spaß gemacht.“
Hakan K. gehört zu mehreren tausend Berliner Jugendlichen, die an so genannten berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen teilnehmen, weil sie keine Lehrstelle finden. Zielgruppe für das Programm sind Jugendliche, die zwischen 17 und 23 Jahre alt sind, aus schwierigen sozialen Verhältnissen kommen und gar keinen oder nur den Hauptschulabschluss haben. Die Bildungsmaßnahmen dauern bis zu einem Jahr, können mehrfach verlängert werden und werden vom Arbeits- und Jugendamt finanziert.
Betreut und beschäftigt werden die Jugendlichen zum Bespiel von Freien Trägern wie dem Kreuzberger Stadtteilzentrum Alte Feuerwache, das neben einem Jugendzentrum, einer Stadtteilkantine, dem Café „brenn Bar“ und einem Gästehaus über diverse Werkstätten verfügt. „Der Großteil der Jugendlichen, die zu uns kommen, sind Migrantenkinder“, sagt Nicola Neumann, die in der Alten Feuerwache als Projektleiterin von „Fit fürs Leben“ für die Jugendlichen zuständig ist.
Die Feuerwache nimmt pro Jahr bis zu 16 Jugendliche für berufsbildende Maßnahmen auf. Unabhängig davon gibt es in dem Projekt drei richtige Lehrstellen. Aber bei weitem nicht jeder, der in die Feuerwache kommt, hält durch. „Viele haben zum Teil jahrelang die Schule geschwänzt und kämpfen mit den Grundtugenden, weil sie es nicht gewohnt sind, früh aufzustehen“, sagt Neumann. Hakan K., der viel als Kellner arbeitete, hat das Jahr durchgehalten. Er hat nach Einschätzung seiner Betreuer auch große Fortschritte gemacht. Anfangs, sagt die für die „brenn Bar“ zuständige Leiterin der Servicekräfte, Gabi Charlet, habe Hakan sich kaum artikulieren können und große Schwierigkeiten gehabt, auf die Gäste zuzugehen. „Er hat unheimlich an Sicherheit gewonnen.“
Es gibt Kritiker, die sind der Meinung, dass die berufsvorbereitenden Maßnahmen nur Kosmetik sind, um die Statistik der Lehrstellensuchenden zu schönen. Der Sprecher des Landesarbeitsamts, Olaf Möller, findet das abwegig. „Es ist eine Möglichkeit, einmal über den Tellerrand zu gucken und sein Leben neu zu organisieren.“
Für Hakan K. ist die Zeit in dem Stadteilzentrum zu Ende. Gestern war sein letzter Tag. Er hätte gern weitergemacht, aber das geht nur bei einem anderen Träger. Ab Oktober wird er dann in einem anderen Sozialprojekt einen weiteren einjährigen berufsvorbereitenden Lehrgang absolvieren und dort vielleicht seinen Hauptschulabschluss nachholen.
Und dann? Hakan K. zuckt mit den Schulter: „Ich würde gerne in die Gastronomie.“
PLUTONIA PLARRE