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Archiv-Artikel

Im Sinnesgarten Erinnerungen spüren

„Haus Seewenje“ in Gröpelingen geht neue Wege bei der Betreuung von Demenzkranken: Im Garten der Sinne dürfen die Menschen riechen und im „Erinnerungszimmer“ sich ihrer Biografie versichern und in der Vergangenheit schwelgen

Bremen taz ■ Ein erfülltes Leben bis ins hohe Alter, jeden Tag bewußt genießen – wer wünscht sich das nicht. Was tun, wenn Alzheimer diese Vorstellungen zerstört? Mit einem innovativen Pflegekonzept richtet sich das gestern neu eröffnete „Haus Seewenje“ in Gröpelingen speziell an Menschen mit Demenz-Erkrankungen.

Heimleiterin Ulrike Hubig setzt verstärkt auf Elemente, die die Sinne ansprechen. Reize wie Berührungen, Düfte, Farben und Musik sorgen für Geborgenheit und helfen, alten Erinnerungen und somit dem gelebten Leben nachzuspüren. Das bewußte Wiedererleben ist ein Weg, die individuelle Persönlichkeit des Demenzkranken zu erhalten – bevor alle Erinnerungen im Dunkeln versinken.

In Gröpelingen werden auf vier Etagen und 2.600 Quadratmetern insgesamt 69 Pflegebedürftige betreut. Die 21 geräumigen Doppel- und 27 Einzelzimmer sind schon fast komplett vergeben.

Sechs Millionen Euro wurden von einer privaten Betreibergesellschaft aufgebracht, um das Objekt in der Gnesener Str. 6 zu errichten. Kernstück der Anlage ist der so genannte Sinnesgarten. An verschiedenen Stationen werden die Sinne durch Blumendüfte und Geräusche wie das Plätschern eines kleinen Brunnens angesprochen.

In den Fluren des Hauses laden die großen plastischen Wandreliefs der Bremer Künstlerin Angela Kolter zum Betasten und sinnlichen Erfahren ein. Die farbliche Gestaltung der Räume soll die Stimmung positiv beeinflussen, in den Stockwerken sorgen einheitliche Elemente für Orientierung.

Ein wichtiger Bestandteil des Pflegekonzepts, das auf Monika Krohwinkel und K.D. Benne zurückgeht, ist die Biographiearbeit. Jeder Heimbewohner bringt seine individuelle Lebensgeschichte mit. Demente Menschen verfügen meist über ein intaktes Langzeitgedächtnis und leben deshalb häufiger „in der Vergangenheit“ als andere alte Menschen. Damit die eigene Biographie nicht weiter verloren geht, kann dieser gezielt in einem besonderen „Erinnerungszimmer“ nachgespürt werden. Deshalb wurde dieser Raum mit Einrichtungsgegenständen und Mobiliar aus den 50er Jahren eingerichtet. Die klassische Musiktruhe, alte Singles und das Kaffeegeschirr rufen auch bei Jüngeren manche Kindheitserinnerungen wach.

Eine visuell erfahrbare Verbindung zu den künftigen HeimbewohnerInnen stellten die Mitglieder der Mobilen Theaterwerkstatt Ottersberg am Eröffnungstag her. Die als Greise verkleideten Schauspieler zogen durch ihre überdimensionalen Gesichtsmasken gleich alle Blicke auf sich.

Das besondere Angebot ist nicht ganz billig: 73 Euro pro Tag abzüglich der Erstattung nach den Pflegeversicherungs-Beiträgen kostet ein Platz, sagt die stellvertretende Geschäftsführerin Katja Pape-Raschen. Die Hubig-Schnittger-GbR führt in Bremen bisher drei andere Häuser. Im kommenden Jahr soll ein Haus in Obervieland hinzukommen.

Silvia Lindenau