Abiturienten lernen Lernen

Der HU-Junior Campus will ausgesuchte Schulabgänger auf den Unialltag vorbereiten. Die 29 Jugendlichen diskutieren vor allem Europapolitik – natürlich auf Englisch

Wie man wissenschaftliche Themen systematisch bearbeitet, ist Schulabgängern meist fremd – das vereinzelte Referat hie und da in der Oberstufe hilft da nicht. Und Europapolitik ist für viele – trotz jüngster Osterweiterung – ein Buch mit sieben Siegeln.

Dem wollten die Humboldt-Universität und der Bildungsverein „berlinpolis“ abhelfen. Sie riefen einen Junior Campus an der HU ins Leben. 29 Jugendliche informieren sich in dieser Woche über den Unialltag und politische Themen rund um Brüssel. Das Motto: „Fit für die Zukunft – Europa ohne Grenzen“. In Seminaren, Vorträgen und Ortsterminen sollen sie mit der Institution Uni vertraut gemacht werden. „Wir wollen die Barrieren zwischen Schule und Uni abbauen, den Schülern bei der Studienfachwahl helfen und zeigen, dass an der Uni auch nur mit Wasser gekocht wird“, sagt HU-Vizepräsident Heinz-Elmar Tenorth.

Der Mittwoch zum Beispiel beginnt um neun Uhr mit einem Vortrag. Hagen Schulz-Forberg spricht eine Stunde lang über Unterschiede und Gemeinsamkeiten im vereinten Europa. Das ist das Forschungsgebiet des Mitarbeiters am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz. Alle Jugendlichen sind trotz bedenklichen Sauerstoffgehalts der Raumluft konzentriert dabei, die geplante Pause von 30 Minuten wird einer lebhaften Diskussion geopfert. Es wird Englisch geredet, die Gruppe ist bunt gemischt: Zehn der Teilnehmer sind Migrantenkinder und Stipendiaten der Hertie-Stiftung.

So wie beispielsweise Sonia. Vor sieben Jahren kam die 19-Jährige mit ihren Eltern aus Pakistan nach Kassel, jetzt besucht sie dort ein Gymnasium und spricht fließend Deutsch. Auf Englisch äußert sie in der Debatte ihre Skepsis gegenüber einem EU-Beitritt der Türkei.

„Wir wollen besonders Migrantenkinder und Kinder aus sozial schwachen Familien unterstützen“, sagt Anne Lehmeier von der Hertie-Stiftung. „Menschen, die es schon bis hierher gebracht haben, aber ohne ein Stipendium nicht studieren könnten.“ Auch wenn die Tendenz leicht steigend ist: Vor zwei Jahren hatten gerade mal fünf Prozent der Abiturienten an Berliner Schulen keinen deutschen Pass.

Wer beim Junior Campus mitmacht, gehört nicht zur Gruppe der potenziellen Studienabbrecher: „Es handelt sich schon um eine Auswahl“, räumt Lehmeier ein. „Aber wenn sie zurück in ihren Schulen sind, können sie die trägeren durch ihr Engagement mitreißen.“ STEFAN KLOTZ