: berliner szenen Wenn am Urbanhafen …
… die Schwäne schlafen
Wir saßen am Ufer und hinter uns hörten wir es schimpfen. Es schimpfte ein paar Meter hinter uns mit sich selbst in einer afrikanischen Sprache, in der die schnell gesprochenen Worte sehr schroff aneinander prallten. Das Schimpfen kam von rechts, hielt manchmal kurz inne und ging dann hinter unserem Rücken an uns vorbei und entfernte sich. Ganz verstohlen blickten wir kurz hin. Wir achteten darauf, dass er unseren Blick nicht bemerkte, um ihm keine Angriffsfläche zu bieten, auf die er dann hätte einschimpfen können.
Seine Mimik leicht verzerrt, wie uns schien. Laut schimpfte er mit sich und der Welt, während wir am Ufer vor dem Theaterschiff im Urbanhafen so saßen und Gingerlimo tranken. Die Worte schienen einerseits denen zu gelten, die so feist und fröhlich hier am Ufer saßen, andererseits wohl auch Feinden, die in seinem Kopf anwesend waren.
Es wurde grauer am Abend, und sie sagte, ihr werde immer schwindlig, wenn sie in den Himmel gucken würde, und ich sagte, eigentlich wäre ich früher gerne Bungee gesprungen, aber wäre dann doch nicht dazu gekommen, und außerdem sieht der Urbanhafen mit jedem Jahr mediterraner aus im Sommer. Ein schönes Ausflugsschiff wendete im Wasser. Der Speisesaal, wenn man’s so nennen will, war leer und wirkte nachdenklich nostalgisch in der Dämmerung. Von weitem hörte man den Inder wie jeden Abend sein „Pappadam“ rufen. Ich sagte, das machst du doch bestimmt schon seit sechs Jahren, und er sagte, fast empört, dass er das schon seit zehn Jahren so mache. Der Tagesspiegel-Verkäufer sang diesmal nicht, und wir schwiegen, weil wir gerade unterschiedliche Bücher lasen. Und dann ging der Schwarze wieder schimpfend an unseren Rücken vorbei. DETLEF KUHLBRODT