GEW: Mehr zahlen für schlechtere Leistungen

Klaus Schroeder, bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zuständig für Kinder- und Jugendhilfe, fürchtet um die Qualität, sieht die soziale Mischung in Gefahr und plädiert für generell kostenfreie Kitas

taz: Herr Schroeder, bekomme ich bessere Leistungen, wenn ich für den Kitaplatz meines Kindes künftig mehr zahlen muss?

Klaus Schroeder: Nein. Die Leistungen werden eher schlechter. Denn im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst wurde festgelegt, dass die Kita-Angestellten weniger arbeiten und weniger Lohn bekommen. Das wird aber nicht durch ausreichend neue Einstellungen kompensiert. Wir haben ausgerechnet, dass allein in den städtischen Kindertagesstätten 800 Stellen fehlen.

Was haben Eltern und Kinder – trotz höherer Gebühren – zu erwarten?

Die Kitas haben keine Wahl. Irgendwie müssen sie reagieren, wenn das Personal weniger arbeitet und keine Vertretung da ist. Dann können sie überlegen, ob sie die Öffnungszeiten verkürzen, die Gruppenstärken erhöhen oder in einem Großteil der Schulferien die Kitas schließen.

Wie können sich Eltern dagegen wehren?

Die Schließungszeiten und die täglichen Öffnungszeiten sind oft in den Verträgen mit den Jugendämtern festgelegt. Darauf könnten Eltern sich berufen. Aber was zum Beispiel die Gruppenstärke angeht, bringen die Verträge nichts. Dabei ist bekannt, dass Kinder in so großen Gruppen viel weniger lernen

Laut Kita-Gesetz haben Kinder Anspruch auf ein Mindestmaß an Betreuung. Wird das Gesetz einfach gebrochen?

Vergangenen Donnerstag hat Jugendsenator Böger im Abgeordnetenhaus gesagt, dass ihm bewusst ist, dass diese Gesetze eingehalten werden müssen. Leider hat er nicht gesagt, was für Konsequenzen er daraus ziehen wird. Wir hoffen, dass es neue Einstellungen geben wird, um dem Kita-Gesetz gerecht zu werden. Schlimm wäre es, wenn er die Bemessungsgrundlage für das Personal ändern und damit den Mangel gesetzlich festschreiben würde.

Werden nicht die Eltern, die mehr verdienen und daher auch mehr zahlen müssen, auch höhere Ansprüche stellen?

Ja. Wir fürchten, das besser verdienende Eltern ihre Kinder aus den Kitas nehmen werden. Für den Höchstsatz von 423 Euro können sie sich auch ein Kindermädchen leisten. Das wäre fatal, denn es gäbe keine soziale Mischung mehr in den Kitas.

Die PDS feiert die gestaffelte Erhöhung, die vor allem reiche Eltern mehr bezahlen lässt, als Ausdruck sozialer Gerechtigkeit. Feiern Sie mit?

Überhaupt nicht. Eigentlich müssten die Kitas kostenfrei sein. Schließlich kostet die Schule auch nichts, und Kitas sind auch Bildungseinrichtungen.

INTERVIEW: D. STRATENWERTH