Die Cash-Cow und ihre gierigen Bauern

Vor allem die Renditeerwartungen der Landesregierungen Schleswig-Holsteins und Hamburgs haben die HSH Nordbank in die Krise getrieben, sagt ein Insider. Statt zu kontrollieren, hätten die zuständigen Politiker durch Ahnungslosigkeit geglänzt

VON MARCO CARINI

Der Tag nach der Rettung. In der Hamburger Zentrale der HSH Nordbank am Gerhart-Hauptmann-Platz herrscht angespannte Atmosphäre. Von Erleichterung ist wenig zu spüren. Dass Schleswig-Holstein und Hamburg, die beiden Hauptanteilseigner, das gebeutelte Kreditinstitut in letzter Minute vor der Schließung retten würden – damit hatte hier jeder gerechnet.

Doch der geplante Arbeitsplatzabbau löst große Befürchtungen aus: Fast jeder Vierte der 4.700 Mitarbeiter muss gehen, zudem sollen weitere 600 Beschäftigte in der Abbau-Bank arbeiten, die sich um die Geschäftsbereiche und „toxischen Papiere“ kümmert, die abgestoßen werden sollen. „Sie sollen sich selber abwickeln“, klagt eine Nordbank-Mitarbeiterin.

Wie aber konnte es zu alldem kommen? „Der Vorstand ist von Hamburg und Schleswig-Holstein über Jahre gedrängt worden, hohe Renditen zu erwirtschaften, das Geschäfts- und Bilanzvolumen zu erhöhen und die Bank international auszurichten, um sie dann an der Börse platzieren zu können“, gibt ein führender Angestellter der Nordbank der Politik eine Mitschuld an dem Finanz-Crash. „Wir sollten die Cash-Cow der Länder sein“, sagt der Nordbänker – „die Rendite-Erwartungen waren immens.“

Um sie zu erfüllen, sei „vor knapp vier Jahren in den Führungsgremien der Bank diskutiert worden, sich aufgrund zu geringer Wachstumsraten vom regionalen Geschäft ganz zu trennen“ – dem Geschäftszweig also, der in Zukunft wieder den Kernbereich der Nordbank-Aktivitäten darstellen soll.

Dass der gescheiterte Versuch, als Global Player Fuß zu fassen, weitere personelle Konsequenzen haben wird, davon gehen viele Nordbank-Mitarbeiter aus. Der Flurfunk meldet, dass die Tage von Vize-Vorstand Peter Riek – der die internationale Ausrichtung der Bank und zahlreiche Risikogeschäfte voran getrieben hat – gezählt sind.

Konsequenzen, mit denen Aufsichtsräte wie Hamburgs Ex-Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU, geht freiwillig im April), sein Nachfolger Michael Freytag (CDU) oder auch der Kieler Ex-Finanzminister Ralf Stegner (SPD) kaum zu rechnen haben. „Gerade bei den komplizierten Kreditersatzgeschäften hat es jahrelang keine Kontrolle gegeben“, weiß ein Insider: „Die Aufsichtsräte und Teile des Vorstands haben das durchgewunken, ohne zu wissen, was sich genau dahinter verbirgt.“ Besonders die Politiker im Aufsichtsrat hätten „wenig Ahnung von der Materie gehabt“.

Mit Skepsis verfolgen viele Nordbank-Mitarbeiter den Plan, die Aktivitäten der Bank nun zukünftig ganz auf den regionalen Geschäftskundenbereich und die Schiffs- und Flugzeugfinanzierung auszurichten. „Vorstandschef Nonnnenmacher hat hier eine Story aus dem Hut zaubern müssen, die einen Neuanfang symbolisiert und es ermöglicht, Geld von den Ländern und vom Bund zu erhalten“, glaubt ein HSH-Mitarbeiter.

Doch nicht jedes regionale Geschäft sei gut, jede Auslandsaktivität per se riskant. Gute Renditen erzielt die Nordbank derzeit etwa noch im niederländischen Immobilienmarkt – hier gibt es nach hausinternen Einschätzung auch „wenig dunkle Wolken am Horizont“. Aber auch dieser Bereich soll abgestoßen werden: weil nicht regional.

„Während Osnabrück zum norddeutschen Kerngeschäft gehört, müssen wir lohnende Aktivitäten einstellen, die 200 Kilometer weiter westlich liegen“, klagt ein Nordbanker – das sei „ökonomisch absurd“. Zum zukünftigen Kerngeschäft gehöre dafür mit der Schiffsfinanzierung ein Bereich, der nach allen Prognosen in den kommenden Jahren eine tiefe Delle erleben wird.

Hausintern umstritten ist auch die schnelle Abwicklung der Kreditersatzgeschäfte – Volumen über 20 Milliarden. Sie werden von führenden Mitarbeitern als „strukturell in Ordnung, aber derzeit nicht handelbar“ eingeschätzt. Nur wenn sie mittelfristig gehalten würden, bestehe die Chance, das eingesetzte Kapital wieder zurückzuführen.