Wenn der Funk überspringt

Will the real America please stand up? Das Antibalas Afrobeat Orchestra bringt zum Abschluss der „Heimatklänge“ eine Extrapackung Groove mit

„Who is this America?“, mit dieser Frage hätten in diesem Jahr die gesamten „Heimatklänge“ überschrieben sein können. Und so heißt auch das neue Album des „Antibalas Afrobeat Orchestras“, welches das Festival in dieser Woche zum Abschluss bringt. Derzeit gibt es wohl kaum eine Gruppe, die diese Frage so gut beantworten könnte wie das bunte Kollektiv aus Brooklyn. Von allen Kontinenten stammen die Musiker, die sich stets im guten Dutzend auf der Bühne drängen.

Zu ihrem Auftaktkonzert am Mittwoch brachte das Antibalas Afrobeat Orchestra eigens jenen Groove mit, den man bei den „Heimatklängen“ in diesem Jahr leider öfters vermissen musste, und bald war der Funk auch auf das Publikum übergesprungen.

Größter Aktivposten der Band ist der nigerianische Sänger Abraham Amayo, der im lindgrünen Overall wie eine Kreuzung aus Yoruba-Priester und James-Brown-Epigone über die Bühne fegte. Die übrigen Bandmitglieder im urbanen Retro-Schlabberlook wirken im Vergleich dazu eher wie eine freundliche Jungsgruppe, die sich vor allem auf ihre Instrumente konzentriert.

So kommt auch die antikapitalistische, antikriegerische und natürlich Anti-Bush-Botschaft des „Antibalas Afrobeat Orchestras“ eher entspannt daher. Mit seiner politischen Haltung sieht sich das Orchester in bester Tradition: „Afrobeat ist untrennbar mit dem politischen Kampf verbunden. Das gehört zusammen wie Gospel und Jesus, Reggae und Roots, Punk und Bier“, findet Saxofonist Martin Perna. Der spanische Bandname „Antibalas“ bedeutet übersetzt übrigens so viel wie „schusssicher“, kann aber auch als „Gegen-Schusswaffen“ verstanden werden.

Kurz nach dem Tod der Afrobeat-Legende Fela Kuti 1998 begründete Martin Perna nicht nur die Band, sondern leitete gleichzeitig eine Wiederbesinnung auf jene Musik ein, die vor allem funkig, aber auch ziemlich jazzig sein kann. Als reine Fela-Kuti-Coverband aber verstehen die Jungs von Antibalas sich nicht, schließlich weben sie in ihre Stücke auch kubanische Rhythmen, Reggae und HipHop-Elemente ein – je nachdem, welcher der Musiker gerade mit dabei ist.

Von den insgesamt 20 Mitgliedern müssten mindestens immer zehn auf der Bühne stehen, meint Martin Perna: erstens fürs Gefühl und zweitens für den dichten Sound. Sie alle sind musikalische Talente, doch für virtuose Selbstdarstellung bietet der Afrobeat wenig Raum: Hier herrscht vor allem der komplexe Rhythmus vor. Dem aber kann man mit dem Kopf so wenig folgen, dass schon bald die Hüften den Takt vorgeben. Das ist ohnehin das Geheimnis von „Antibalas“, wie Martin Perna zufrieden gesteht: „Die einen mögen uns wegen der politischen Message, die anderen wegen der spirituellen Botschaft, wieder andere finden uns lustig. Aber die meisten wollen einfach nur ihren Hintern schaukeln.“

JUDITH HYAMS

Sonnabend um 21.30, Sonntag um 16 Uhr am Kulturforum, Potsdamer Platz