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Die 19 Berliner Fünf-Sterne-Hotels haben es schwer: Zwar steigt die Zahl der Touris, doch die meisten setzen auf Rucksack und Butterstulle. Die Luxusschuppen ruinieren sich mit Schnäppchenpreisen
VON FELIX LEE UNDCHARLOTTE NOBLET
Hat sich Berlin wieder einmal überschätzt? 19 edle Häuser der Fünf-Sterne-Luxusklasse zählt die Hauptstadt, die sich so gerne mit anderen Weltmetropolen wie London, Paris und New York misst. Da war es nur noch eine Frage der Zeit, wann das erste Aus für einen dieser vielen neu entstandenen Nobelschuppen verkündet würde. Dass es ausgerechnet die Filiale der kanadischen Luxuskette Four Seasons als Erstes trifft und damit das Image des besonders herausgeputzten Gendarmenmarkts, findet Natascha Kompatzki, Sprecherin der Berlin Tourismus Marketing GmbH (BTM), sehr bedauerlich. Doch das habe sich abgezeichnet. Der Wettbewerb sei so hart wie noch nie zuvor.
Am mangelnden Gästeaufkommen liegt es nicht. Zwar ist die Zahl der Hotelbetten von einst rund 30.000 Anfang der 90er-Jahre auf inzwischen über 75.000 gestiegen, bis zur Fußball-WM 2006 sollen es 80.000 sein. Allein in den ersten fünf Monaten 2004 ist die Zahl der Übernachtungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um mehr als ein Viertel gestiegen. „Berlin steuert im Tourismus auf ein Rekordjahr hin“, glaubt Hanns Peter Nerger, Geschäftsführer der BTM.
Für ihn ist das Problem nicht die Auslastung, sondern der Preiskampf. Geiler Geiz ist anscheinend auch in der deutschen High Society zur Tugend erhoben worden – zumindest was ihren Besuch in der Hauptstadt anbelangt. Sind die gut betuchten Damen und Herren aus München, Düsseldorf und Baden-Baden durchaus bereit, auf einem Kurztrip nach New York oder Venedig 500 bis 600 Euro zu bezahlen, ist ihnen eine Nacht in Berlin durchschnittlich gerade einmal 130 Euro wert. Mit solchen Dumpingpreisen müssen dann auch die Nobelschuppen mithalten. Ähnlich wie beim Start des Adlon, das anfangs die Zimmer zu „Schnupperpreisen“ zwischen 100 bis 130 Euro verhökerte, startete das im Januar am Potsdamer Platz eröffnete das Ritz Carlton mit 165 Euro die Nacht – für ein Doppelzimmer. Die Folge: Renommierte Stars, mit denen sich das Haus schmücken könnte, blieben bisher aus. Denn wer möchte in Malibu und am Sunset-Boulevard schon zugeben, dass er in Berlin zu Proll-Preisen genächtigt hat. Ein Teufelskreis.
Um die Preisspirale zu stoppen, setzt die BTM verstärkt auf Touristen aus dem Ausland. Die seien im Preisbewusstsein noch nicht so verdorben, glaubt Kompatzki. Das sieht auch die Industrie- und Handelskammer zu Berlin (IHK) so: Der Tourismus aus dem Ausland sei „eine der wesentlichen Wachstumsbranchen“, die wirtschaftliche Impulse bringe. Die IHK möchte von einer allgemeinem Krise nichts wissen. Von einer „einzigen Erfolgsstory“ spricht sie, die mit dem Rückzug des Four Seasons nicht getrübt werden darf.
Tatsächlich zeigen die Daten des Statistischen Landesamts, dass der Anteil der internationalen Gäste stetig steigt. Doch ein genauer Blick trübt den Optimismus. Denn Berlin ist vor allem in Ländern wie den baltischen Staaten, China und der Tschechischen Republik im Trend – Touristen, die nicht gerade bekannt dafür sind, ihr mühselig Gespartes in Luxushotels zu verprassen. Und auch bei der wachsenden Zahl von US-amerikanischen und britischen Touristen handelt es sich mehr um Rucksack-Reisende als um zahlungskräftige Wall-Street-Broker und texanische Ölscheichs. Hostels und Billigpensionen sind in den Sommermonaten auch allesamt ausgelastet, wie zum Beispiel das Alcatraz Hostel in der Schönhauser Allee zu berichten weiß.
Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) freute sich jüngst über die rasanten Steigerungsraten bei der Zahl der Übernachtungen: „Die Welt schaut auf Berlin.“ Das stimmt zwar auch. Aber nach Berlin kommen Gäste, die vor allem auf ihre Kontoauszüge schauen. Sie buchen lieber in preiswerten Pensionen und nehmen vom Frühstücksbüfett belegte Butterstullen mit. Diese Klientel ist auch mit einer Unterwassersäule in der Lobby oder dem eingravierten Namen auf dem Gute-Nacht-Keks nicht zu locken. Nicht umsonst assoziiert der gemeine Pariser Berlin mit Ryan Air, Currywurst und Bier. Berlin ist einfach der Ballermann unter den Touristenmetropolen.